Interview mit Grzegorz Rossoliński-Liebe – Interview: Bernd Müller – 14. April 2022
Ein Gespräch mit dem Historiker Grzegorz Rossoliński-Liebe über den Bandera-Kult, die Aufarbeitung der Geschichte in der Ukraine, Putin und den Umgang mit der kulturellen Vielfalt in dem heterogenen Land.
B.M.: Herr Rossoliński-Liebe, mit dem Krieg in der Ukraine ist auch die historische Figur Stepan Bandera in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. In der Süddeutschen Zeitung bezeichnete Heribert Prantl ihn kürzlich als Nazi-Kollaborateur. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, antwortet ihm öffentlich, man wolle sich nicht von Deutschen vorschreiben lassen, wen Ukrainer verehren sollen. Ist das Gedenken an Stepan Bandera ihrer Meinung nach unproblematisch?
Grzegorz Rossoliński-Liebe: Das Gedenken an eine Person, die ukrainischen Nationalismus radikalisierte, ukrainischen Faschismus maßgeblich prägte und der Führer eines ethnisch-homogenen Staates in Hitlers „Neuen Europa“ werden wollte, ist aus demokratischer Perspektive eindeutig problematisch.