Italien: Melonis Krieg gegen die Armen

Von Peter Schwarz – 3. August 2023

Die Nachricht kam per SMS und bestand aus wenigen Worten. Am 28. Juli teilte die italienische Regierung 169.000 Haushalten mit, dass sie in vier Tagen ihr Einkommen verlieren. Sie erhalten ab dem 1. August keinen Cent mehr aus der staatlichen Grundsicherung. Die 169.000 sind nur der Anfang. In den kommenden Monaten wird Hunderttausenden weiteren Haushalten die Unterstützung gestrichen. Insgesamt sind etwa 2,5 Millionen Personen von den Kürzungen betroffen. Die Regierung will so mehrere Milliarden einsparen, die sie in Form von Steuererleichterungen an die Reichen weiterreicht. Das Bürgereinkommen (Reddito di cittadinanza) in seiner jetzigen Form war erst 2019 eingeführt worden. Es war ein zentrales Wahlversprechen der Fünf-Sterne-Bewegung, die damit vor allem im armen Süden des Landes viele Stimmen gewann. Es verschaffte Bedürftigen ein zusätzliches Einkommen von bis zu 500 Euro im Monat. Für Ehepartner kamen weitere 200, für Kinder je 100 und für die Miete maximal 280 Euro hinzu. Angesichts der hohen Armut im Land war das allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In Zukunft bekommen nur noch Haushalte, in denen Minderjährige, Behinderte oder Senioren leben, maximal 480 Euro. 18- bis 59-Jährige gelten dagegen pauschal als „beschäftigungsfähig“ und gehen leer aus. Nur wenn sie an Fort- und Weiterbildungskursen teilnehmen, erhalten sie 350 Euro im Monat, beschränkt auf maximal ein Jahr. Bisher gibt es aber keine entsprechenden Kursangebote, und das Arbeitsministerium hat noch nicht einmal eine Internetplattform dafür eingerichtet. Als Folge stehen Hunderttausende Menschen in Italien über Nacht ohne Einkommen da und wissen nicht, wie sie die Miete, die Stromrechnung und Nahrungsmittel bezahlen sollen. Vor allem Großstädte im Süden des Landes, wie Neapel, Bari, Palermo und Caserta, sind betroffen. In Neapel bezieht jeder sechste Haushalt Bürgergeld, im nördlichen Bozen ist es nur jeder dreißigste. An zahlreichen Orten kam es deshalb zu Protesten vor den Büros der Sozialbehörde INPS. In der sizilianische Gemeinde Terrasini stürmte ein Mann das Büro des Bürgermeisters, vergoss Benzin und drohte, alles in Brand zu setzen. Die Streichung des Bürgergelds und die brutale Art, in der sie vollzogen wird, sind eine gezielte Provokation. Die Regierung von Giorgia Meloni zeigt ihre wahre faschistische Fratze. Sie will damit zweierlei erreichen. Erstens stellt sie Arbeiter vor die Alternative, auch den schlechtbezahltesten Job anzunehmen oder zu verhungern. So versucht sie, das Lohnniveau insgesamt zu drücken und einen Arbeitszwang einzuführen. Und zweitens bemüht sie sich, Mittelschichten und die Arbeiterklasse zu spalten, indem sie bessergestellte Teile gegen Einkommens- und Arbeitslose aufhetzt, so wie sie sie bisher gegen Flüchtlinge aufgehetzt hat.

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