Der deutsche Hungergenozid

Von German-Foreign-Policy.com – 10. Januar 2024

Überlebende der deutschen Hungerblockade Leningrads im Zweiten Weltkrieg dringen auf Entschädigung. Die Bundesregierung weist dies 80 Jahre nach der Blockade immer noch ab.

Vor dem kurz bevorstehenden 80. Jahrestag der Brechung der deutschen Blockade Leningrads im Zweiten Weltkrieg am 27. Januar dringen Überlebende zum wiederholten Mal auf eine wenigstens geringe Entschädigung. Die Wehrmacht hatte zwischen 1941 und 1944 über einen Zeitraum von fast 900 Tagen die drei Millionen Einwohner der sowjetischen Metropole von der Lieferung von Nahrungsmitteln abgeschnitten. Ziel war es, die komplette Stadtbevölkerung durch Hunger zu ermorden; der Historiker Jörg Ganzenmüller sprach schon zum 60. Jahrestag der Brechung der Blockade von einem „Genozid durch bloßes Nichtstun“. 1,1 Millionen Menschen kamen zu Tode. Entschädigung haben bisher lediglich jüdische Opfer erhalten; Berlin sprach ihnen im Jahr 2008 eine Einmalzahlung von genau 2.556 Euro zu. Diese Summe fordern nun auch die nichtjüdischen Überlebenden ein. Tatsächlich galt der Plan, Leningrads Bevölkerung umzubringen, explizit auch den als slawische „Untermenschen“ diffamierten nichtjüdischen Einwohnern. Die Bundesregierung stuft den deutschen Hungergenozid ausdrücklich als „allgemeine Kriegshandlung“ ein, für die keine Entschädigung zu zahlen sei.

Tödliche Blockade

Die Wehrmacht schloss den Blockadering um Leningrad am 8. September 1941. Damit war die Großstadt, in der damals rund drei Millionen Menschen lebten, im Süden durch deutsche Truppen von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Im Norden erledigten das die Streitkräfte des mit dem NS-Reich verbündeten Finnlands. Über den im Osten gelegenen Ladogasee konnten zeitweise und unter großen Gefahren in geringem Umfang Lebensmittel und andere Versorgungsgüter in die Stadt gebracht werden. Die Mengen reichten allerdings auch nicht annähernd aus, um die Bevölkerung zu ernähren. Unmittelbar nach der Schließung der Blockade begann die Wehrmacht, Lebensmittellager und andere Versorgungseinrichtungen gezielt zu bombardieren. Bereits nach wenigen Wochen trat ein dramatischer Mangel an Nahrung und an Energieträgern auf. Tödlicher Hunger griff um sich, die eisige Kälte kostete gleichfalls zahlreiche Menschenleben. Sowjetische Offensiven mit dem Ziel, Leningrad zu befreien, scheiterten mehrfach. Erst am 27. Januar 1944 gelang es der Roten Armee, die Blockade zu brechen. In den fast 900 Tagen, in denen Leningrad von den deutschen Truppen eingeschlossen war, kamen nahezu 1,1 Millionen Menschen zu Tode. Die überwiegende Mehrzahl von ihnen verhungerte oder erfror.

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