Von Peter Schwarz – 13. Januar 2024
Zehntausende Bäuerinnen und Bauern haben im Verlauf dieser Woche gegen die Sparpolitik der Bundesregierung protestiert und mit ihren Treckern Autobahnen, Zugangsstraßen und Innenstädte blockiert. Die Treckerkonvois waren teilweise bis zu zehn Kilometer lang. Für den kommenden Montag planen die Bauern eine Großdemonstration in Berlin.
Der Protest der Bauern ist Bestandteil eines sozialen Aufstands gegen die Ampel-Koalition, die breite Teile der Arbeiterklasse sowie Teile der Mittelschichten umfasst. Zeitgleich mit den Bauerndemonstrationen legten die Lokführer drei Tage lang die Deutsche Bahn still, an den Kundgebungen der Bauern beteiligten sich auch zahlreiche Handwerker und rund 70 Prozent der Bevölkerung äußerten in Umfragen Sympathien für ihre Anliegen.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Millionen Beschäftigte des öffentlichen Diensts und der Post mit überwältigender Mehrheit für Streik gestimmt, waren aber von ihren Gewerkschaften ausgebremst und mit Tarifabschlüssen weit unter der Inflationsrate abgespeist worden. In der Auto- und Zulieferindustrie entwickelt sich ein gewaltiges Jobmassaker, das von der IG Metall abgedeckt und mitorganisiert wird.
Vertreter der Regierung und ihr nahestehende Medien haben abwechselnd versucht, die Bauernproteste als rechtsextreme Verschwörung oder als Protest privilegierter Subventionsempfänger darzustellen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), den empörte Bauern nach einem Urlaub auf einer Nordseeinsel am Verlassen seiner Fähre gehindert hatten, schimpfte in einem vom Ministerium produzierten Video: „Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt.“ Innenministerin Nancy Faeser (SPD) behauptete, dass „Rechtsextremisten und andere Demokratiefeinde versuchen, die Proteste zu unterwandern“.
Der Spiegel verglich den Bauernprotest mit dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol und warnte vor „rechtsextremen Umsturzfantasien“. Die Grünen-nahe taz erklärte: „Die Proteste sind unangemessen und leisten Rechtsextremisten Vorschub.“ Und die F.A.Z. kommentierte unter der Überschrift „Verwöhnte Bauern“: „Deutsche Landwirte können sich vor Subventionen kaum retten. Aber wenn sie eines ihrer Privilegien aufgeben sollen, rollen die Trecker auf die Autobahnen. Das ist kein nachvollziehbarer Protest, sondern eine Frechheit.“
Das sind üble Verleumdungen. Vereinzelte Versuche von Rechtsextremen, sich an die Proteste anzuhängen – wie eine eigene „Bauern“demonstration der Freien Sachsen in Dresden – liefen ins Leere. Auf den meisten Kundgebungen der Bauern waren Rechtsextreme unerwünscht. Auch Anbiederungsversuche der AfD, die in ihrem Grundsatzprogramm von 2016 noch „mehr Wettbewerb“ und „weniger Subventionen“ für die Landwirtschaft gefordert hatte, zeigten wenig Wirkung. Und was die wirtschaftliche Lage der Bauern betrifft, so steht vielen das Wasser bis zum Hals.
Auslöser der Proteste war die Entscheidung der Bundesregierung, die Steuervergünstigung für Agrardiesel und die KfZ-Steuerbefreiung von Agrarfahrzeugen zu streichen. Durch diese beiden Maßnahmen wollte sie jährlich 450 und 485 Millionen, also eine knappe Milliarde Euro einsparen. Umgerechnet auf die etwas mehr als 250.000 landwirtschaftlichen Betriebe, die es in Deutschland noch gibt, ist dies eine erhebliche Summe von durchschnittlich 4.000 Euro pro Betrieb, die sich in vollem Umfang auf das Einkommen der Bauern auswirkt.