Von German-Foreign-Policy.com – 23. Januar 2024
Führende Militärs und Politiker der NATO-Staaten warnen vor der Ausweitung des Ukraine-Kriegs auf NATO-Territorium. Berlin erhofft sich von dem Bedrohungsdiskurs Zustimmung zu weiterer Militarisierung.
Im medialen Vorlauf des NATO-Großmanövers Steadfast Defender häufen sich im Westen die Warnungen vor einem russischen Angriff innerhalb der nächsten 20 oder gar fünf Jahre. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius erklärt, er halte eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs für möglich, auch wenn er zurzeit nicht mit einem Angriff durch Russland rechne. Ein führender NATO-Admiral schließt eine unkontrollierte Eskalation nicht aus. Der aktuelle Übungsaufmarsch von 90.000 Soldaten für Steadfast Defender in größtmöglicher Nähe zur russischen Westgrenze ist das vorläufige Ergebnis von fast einem Jahrzehnt Rüstung für den Großmachtkrieg in Europa. Die heraufbeschworene Bedrohung im Osten wird nun von Pistorius wie von der NATO genutzt, um die Bevölkerung aufzufordern, sich als „Heimatfront“ in die Kriegsvorbereitungen einzureihen. Die Menschen müssten sich bewusst machen, dass in einem Krieg nicht nur die Armee, sondern die gesamte Gesellschaft kämpfen müsse, erklärt der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer. Ein Mentalitätswechsel in der Bevölkerung gilt auch deutschen Experten als Voraussetzung für eine erfolgreiche Fortsetzung der Militarisierung der Bundesrepublik. …
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius spricht mit Blick auf Russland von einer „Dringlichkeit der Bedrohungslage“. Die NATO müsse sich auf einen Angriff Moskaus vorbereiten, erklärte er Ende vergangener Woche – in einem Zeitraum von „fünf bis acht Jahren“. Vor diesem Hintergrund gelte es, Deutschlands militärische Fähigkeiten „rasch“ zu „stärken“. Zur Vorbereitung auf einen unmittelbaren Krieg mit der Atommacht Russland fordert Pistorius unter anderem die Reaktivierung der Wehrpflicht, die Öffnung der Bundeswehr für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, eine Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie und eine Abkehr von der Schuldenbremse, um Geld für die Rüstung freizumachen. Erst kürzlich hatte der oberste Befehlshaber der schwedischen Streitkräfte, General Micael Bydén, seine Landsleute aufgefordert, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten. Bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen, ob man Bydéns Äußerungen als alarmistisch einstufen müsse, entgegnete unlängst der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, es sei „großartig“, dass die Schweden jetzt aufgrund des Aufrufs seines Kollegen batteriebetriebene, also auch nach Angriffen auf das Stromnetz funktionsfähige Radios kauften. Die Menschen in den NATO-Staaten müssten „realisieren“, dass es „keine Selbstverständlichkeit“ sei, dass sie in Frieden lebten, äußerte Bauer. Auch die Gefahr einer unkontrollierten Eskalation zu einem heißen Krieg mit Russland scheint für den führenden NATO-Militär innerhalb der nächsten 20 Jahre denkbar; „nicht alles“ sei „planbar“.