Von Thomas Röper – 16. Februar 2024
Awdejewka, ein wichtiger Vorort von Donezk, steht vor dem Fall. Im Spiegel spielt diese strategische Niederlage der Ukraine herunter.
Awdejewka ist ein Vorort von Donezk, der seit 2014 die Frontlinie markiert. Die ukrainische Armee hat sich dort seit 2014 sehr tief und mit viel Beton eingegraben, weshalb die Stadt für die russischen Streitkräfte bisher nicht zu nehmen war. Natürlich hätte Russland die Stadt mit schweren, bunkerbrechenden Bomben sturmreif schießen können, aber aufgrund der Nähe von Awdejewka zu besiedelten Gebieten war das für Russland keine Option, zumal in der Stadt immer noch weit über tausend Zivilisten ausharren, die nicht in die Ukraine geflohen sind, sondern trotz der Kämpfe ausharren und auf ihre Befreiung durch Russland warten.
Daher wurde und wird um Awdejewka vor allem mit Infanterie, Panzern und Artillerie gekämpft, was angesichts der bestens ausgebauten ukrainischen Befestigungen langwierig ist. Ich selbst war im letzten Sommer bei Awdejeka an der ersten Frontlinie (siehe hier und hier) und habe dort mit Soldaten gesprochen, die mir die Probleme im Detail geschildert haben.
Awdejewka ist erstens strategisch sehr wichtig, weil nach dem Fall der zur Festung ausgebauten Stadt ein großes Loch in die ukrainische Verteidigungslinie gerissen wird und der weitere Weg zur Befreiung des Donezker Gebietes frei ist. Zweitens ist die Stadt aus russischer Sicht so wichtig, weil Donezk seit 2014 vor allem von Awdejewka aus mit Artillerie beschossen wird, wobei ständig Zivilisten getötet werden. Wenn Awdejewka fällt, wird Donezk zumindest außerhalb der Reichweite der ukrainischen Artillerie liegen.
Ich habe vor kurzem ein Interview mit Dmitri Rogosin geführt, der Senator des Gebietes Saporoschje ist. Obwohl sein Herz vor allem für das Gebiet Saporoschje schlägt, hat er in dem Interview gesagt, dass die erste Priorität der russischen Streitkräfte derzeit die Befreiung von Awdejewka und dem Donezker Gebiet ist, damit der schreckliche Beschuss von Donezk endlich aufhört.
Der Spiegel versteht sich offensichtlich nicht als Nachrichtenjournal, das seine Leser objektiv informieren will, sondern als Instrument der Kriegspropaganda. Der Spiegel hat in einem Artikel darüber berichtet, dass die ukrainische Armee in Awdejewka nun auf dem Rückzug und in Gefahr ist, eingeschlossen zu werden. Damit Spiegel-Leser nicht erfahren, dass der Fall von Awdejewka eine schwere strategische Niederlage für die Ukraine sein wird, hat der Spiegel den Stellenwert von Awdejewka schon mal heruntergespielt:
„Russland versucht seit Monaten, die Stadt einzunehmen, um die volle Kontrolle über die Industrieregion Donbass zu erlangen. Awdijiwka liegt in unmittelbarer Nähe der bereits seit 2014 von prorussischen Kräften kontrollierten Großstadt Donezk und hat nur noch symbolischen Wert.“
Wenn Awdejewka nur noch „symbolischen Wert“ hat, warum verheizt die Ukraine dort immer mehr Soldaten und versucht verzweifelt, die Einkesselung der Stadt mit allen Mitteln und zum Preis gigantischer Verluste zu verhindern?