Von Amalia van Gent – 16. April 2024
Stehen dem Südkaukasus neue dramatische, geopolitische Umwälzungen bevor? Von seinem strategischen Partner Russland im Stich gelassen, sucht Armenien nach Alliierten im Westen – ein Akt von großer Sprengkraft.
Das Gipfeltreffen zwischen ranghohen Politikern der EU, der USA und Armeniens vom 5. April in Brüssel sollte in aller Welt die Solidarität des Westens auf Seite Armeniens demonstrieren. »Wir sind hier, um die transatlantische Unterstützung für Armeniens Souveränität, Demokratie, territoriale Integrität und sozioökonomische Widerstandsfähigkeit zu bekräftigen«, stand in einer gemeinsamen Erklärung, die der Presse zuvor verteilt wurde.
Schulter an Schulter mit Armenien?
Dieses Treffen, an dem die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, der US-Außenminister Antony Blinken, der Leiter der EU-Außenpolitik Josep Borrell und der armenische Premierminister Nikol Paschinjan teilnahmen, hatte die Regierungen von Russland, der Türkei und des Irans in Spannung versetzt; sie drohten, dieses aus ihrer Sicht »feindliche Treffen« zu blockieren. Die öffentlichen Erklärungen aus Brüssel hielten sich aber in Grenzen: Die EU stehe »Schulter an Schulter mit Armenien«, erklärte von der Leyen in ihrem gewohnt überschwänglichen Tonfall; dabei kündigte sie ein auf vier Jahre angelegtes Finanzpaket in Höhe von 270 Millionen Euro für Armenien an. »Wir teilen die Zukunftsvision des armenischen Volkes und wollen, dass Armenien seinen Platz als starke, unabhängige Nation einnimmt, die in Frieden mit ihren Nachbarn lebt«, doppelte der US-Außenminister nach. Auch er bezog sich in erster Linie auf die wirtschaftliche Unterstützung der USA, die in diesem Jahr auf 65 Millionen Dollar beinah verdoppelt werden sollte.
Armenien, die kleinste Republik im Südkaukasus, wird von seinem übermächtigen Nachbarn Aserbaidschan existentiell bedroht. Nikol Paschinjan war nach Brüssel gereist, weil er von seinen westlichen Gesprächspartnern in erster Linie ernsthafte Sicherheitszusicherung zu erhalten hoffte. Eine solche Zusicherung kam aber nicht, zumindest nicht in aller Öffentlichkeit.