Von Martin Nowak – 1. Mai 2024
Die sächsische Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen hat im vergangenen Jahr einen Entwurf für eine Änderung des Sächsisches Versammlungsgesetzes (SächsVersG) vorgelegt. Im vergangenen Monat wurde er nun unter Protesten im Innenausschuss des Landesparlaments debattiert.
Nach dem Polizeigesetz (SächsPolG) von 2019, das im Januar teilweise für verfassungswidrig erklärt wurde, unternimmt die Landeregierung einen erneuten Vorstoß, demokratische Grundrechte einzuschränken und einen autoritären Polizeistaat zu errichten.
Der sächsische Gesetzesentwurf ist kein isoliertes Phänomen. Bereits unter Kanzlerin Angela Merkel hatte die Bundesregierung den Polizei- und Überwachungsstaat massiv ausgebaut. Seit Beginn des Gazakriegs knüpfen nun Bundes- und Landesregierungen an braune Traditionen an und unterdrücken Anti-Kriegs-Proteste und Veranstaltungen. Dabei werden auch jüdische Menschen verhaftet.
Der Entwurf weitet in zahlreichen Bereichen die Vollmachten der Polizei aus, Versammlungen einzuschränken und zu verbieten. Dabei arbeitet er mit vagen Formulierungen, deren Interpretation staatlicher Willkür Tür und Tor öffnet. Vor allem jedoch verdreht er das demokratische Rechtsprinzip in sein Gegenteil: Statt ein Schutzrecht gegen den Staat, will die sächsische Regierung ein Schutzrecht des Staates gegen die Bevölkerung erlassen.
Das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ (KGD) wirft dem Entwurf ein grundlegendes Missverhältnis zwischen Grundrecht und Staatsmacht vor. Statt als „Abwehrrecht“ gegen den Staat sei es „aus einer polizeilichen und damit störungszentrierten Sicht verfasst“ und schränke „das Grundrecht der Versammlungsfreiheit vielfältig und umfassend ein“. Dass die Staatsbürger die Grundrechtsträger sind, werde noch nicht einmal in Worten anerkannt.
„Zudem“, so der Verein weiter, „wird ein verdeckter Zwang zur Kooperation eingeführt, der das Prinzip der Staatsfreiheit von Versammlungen unterläuft“.
Laut Gesetzentwurf darf die Polizei bei „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ die Namen und Geburtsdaten der Ordner verlangen und bis zu zwei Jahre speichern. Sie bekommt so eine Liste wichtiger Demonstrationsteilnehmer frei Haus geliefert, die sie bei einer Verschärfung der Repression als Verhaftungsliste nutzen kann.
Das Grundrechte-Komitee sieht darin nicht nur eine massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit, „sondern auch tiefe Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen“.