Von Rainer Werning – 11. Mai 2024
„Balikatan“ – in Filipino die Bezeichnung für „Schulter an Schulter“ – nennen sich die alljährlich stattfindenden philippinisch-US-amerikanischen Militärmanöver, die in diesem Jahr zum 39. Mal abgehalten werden. Klingt gut: So soll suggeriert werden, dass auch heute noch ein inniges Verhältnis zwischen der vormaligen Kolonialmacht USA (1898 bis 1946) und den Philippinen als Amerikas einstiger und einziger Kolonie in Südostasien besteht. Derweil bekämpfen sich auf höchster Staatsebene politische Clans, die noch vor zwei Jahren – vor dem Amtsantritt von Präsident Ferdinand Marcos Jr. Ende Juni 2022 – als UniTeam innigste Freundschaft gelobt hatten. Über deren Zerwürfnis und andere Unwägbarkeiten berichtet unser Südostasienexperte Rainer Werning.
Weitreichende Befugnisse für US-Truppen
In diesem Jahr nehmen annähernd 17.000 philippinische und US-amerikanische Soldaten an den bis dato größten „Balikatan“ teil, die am 22. April begannen und am 10. Mai endeten. Die diesjährigen Manöver konzentrierten sich vor allem auf die nördlichen und westlichen Teile der Philippinen – nahe der potenziellen Krisenherde im Südchinesischen Meer und Taiwan, in denen es in den vergangenen Wochen und Monaten bereits häufig zu Konfrontationen kam. Erstmals nahm daran auch die Küstenwache der Philippinen mit sechs Schiffen teil. Zudem führte die Spezialeinheit der Küstenwache „gemeinsame Interoperabilitätsübungen” mit der philippinischen Marine und entsprechenden französischen, australischen und US-Kräften aus. Die US-Armee nutzte „Balikatan“ für die Erprobung ihres neuesten bodengestützten Raketensystems Typhon mit mittlerer Reichweite (MRC), das Tomahawk- und SM-6-Raketen abfeuern kann. Diese Mittelstreckenraketen sind in der Lage, Ziele auf See und in China zu treffen. Verfolgt wird auf diese Weise eine breiter angelegte Eindämmungsstrategie der USA, die darauf abzielt, die VR China einzukreisen, indem eine Inselkette von den Kurilen, dem japanischen Archipel, den Ryukyu-Inseln, Taiwan, den nördlichen Philippinen und Borneo bis hin zur malaiischen Halbinsel befestigt wird.
Unabhängig von „Balikatan“ können US-Streitkräfte auf philippinischem Territorium mittlerweile jederzeit und auf Rotationsbasis insgesamt neun Militärstützpunkte der Armed Forces of the Philippines (AFP) nutzen, wobei ihnen extraterritoriale Immunität zugutekommt.