Von Verena Nees und Peter Schwarz – 24. Mai 2024
„Versammlungsfreiheit ist das Recht auf Dissens, auf abweichende Meinung. Grenzen setzt das Strafrecht und nicht die Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland oder eine Beeinträchtigung der außenpolitischen Belange Deutschlands.“
So lautete ein Kernsatz auf der Bundespressekonferenz vom Dienstag, die sich mit den Protesten an Hochschulen gegen den Krieg in Gaza befasste. Professor Clemens Arzt, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin Staats- und Verwaltungsrecht unterrichtet, zeichnete ein vernichtendes Bild davon, wie Regierungen und Behörden demokratische Grundrechte missachten.
Bundespressekonferenz (v. l.): Prof. Clemens Arzt, Prof. Michael Wildt, Prof. Miriam Rürup, Prof. Michael Barenboim [Photo/Video by Jung & Naiv / youtube / screenshot]
Neben Arzt stellten sich Professor Michael Wildt, emeritierter Historiker mit Schwerpunkt Nationalsozialismus an der HU Berlin, Miriam Rürup, Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums und Professorin für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, und Michael Barenboim, Professor für Ensemblespiel und Violine an der Said-Barenboim Akademie, den Fragen der Journalisten.
Sie hatten – neben mittlerweile mehr als tausend anderen Dozenten aus dem In- und Ausland – einen offenen Brief unterzeichnet, der Studierende, die gegen den Genozid in Gaza protestieren, gegen die Repressionsmaßnahmen der Universitätsleitungen und gegen Polizeigewalt in Schutz nimmt. Medien und Regierungsvertreter hatten mit hysterischen Angriffen auf den offenen Brief reagiert. Die WSWS hat darüber berichtet.
Auf der Pressekonferenz wurden diese Angriffe kategorisch zurückgewiesen. Wildt und Rürup argumentierten für eine „kontroverse Debatten- und Streitkultur“ an den Universitäten und für die Stärkung ihrer „Selbstregulierungskräfte“.
„Studierende haben ein Recht, gegen den Terror der Hamas ebenso wie gegen den Krieg in Gaza zu demonstrieren, gegen die israelische Besatzung und für das Recht der palästinensischen Bevölkerung auf gleiche Rechte, auf politische Selbstbestimmung,“ sagte Wildt. „Wo, wenn nicht an den Universitäten, zu denen Kritik, kontroverse Debatten und Streitkultur gehören, sollte es Räume geben, um diese Auseinandersetzung zu führen.“
In einer Atmosphäre, die von Polarisierung, Emotionalisierung und Pauschalisierung geprägt ist, sorgten sich viele Lehrende um ein offenes Klima in ihren Universitäten. „Diese Sorge war meine Motivation, das Statement zu unterschreiben,“ so Wildt. Antisemitismus und Rassismus dürften keinen Platz an den Universitäten haben. „Aber wer glaubt, die Polizei würde Antisemitismus vom Platz schaffen, der irrt. Die Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus ist vor allem eine gesellschaftliche Aufgabe. An den Universitäten brauchen wir Räume, in denen offen diskutiert werden kann.“