Von Peter Schwarz – 28. Juni 2024
Nach ihren verheerenden Wahlniederlagen bei der Europawahl verschärfen die europäischen Regierungen ihre Kriegspolitik. Der EU-Gipfel vom 27. Juni stand ganz im Zeichen der weiteren Zuspitzung des Ukrainekriegs gegen Russland. Je verbreiteter die Ablehnung des Kriegs in der Bevölkerung, umso rücksichtsloser treiben ihn die Machthabenden voran.
Vor allem in den beiden größten EU-Mitgliedsstaaten, Deutschland und Frankreich, wurden die Regierenden regelrecht abgestraft. In Deutschland erzielte die SPD von Bundeskanzler Scholz ihr schlechtestes nationales Wahlergebnis seit 127 Jahren. Auch die beiden anderen Regierungsparteien, die Grünen und die liberale FDP, erlitten massive Verluste. In Frankreich erhielt das Wahlbündnis von Präsident Macron weniger als 15 Prozent, noch nicht einmal halb soviel wie das rechtsextreme Rassemblement National (RN).
Die Ablehnung des Ukrainekriegs spielte eine wichtige Rolle bei diesen Wahlniederlagen. Da viele angeblich „linke“ Parteien den Krieg unterstützen, konnten vor allem rechtsextreme davon profitieren.
Der EU-Gipfel traf eine Reihe von Entscheidungen, die sicherstellen sollen, dass der Krieg gegen Russland ungeachtet seiner Unpopularität und der politischen Krise in den USA weitergeht, auch wenn dies mit enormen Kosten, der Entsendung eigener Truppen und der Gefahr einer nuklearen Eskalation verbunden ist.
Wichtigstes Thema des Gipfels war die Besetzung der EU-Spitzenposten für die nächsten fünf Jahre. Hier einigten sich die Staats- und Regierungschefs bei wenigen Gegenstimmen.
Ursula von der Leyen, die Spitzenkandidatin der Konservativen in der Europawahl, soll für eine weitere Amtsperiode Kommissionspräsidentin bleiben. Die deutsche Politikerin hat sich für die militärische Aufrüstung der EU und die Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie eingesetzt und maßgeblich dafür gesorgt, dass die EU und ihre Mitglieder vor den USA zum führenden Geldgeber und militärischen Unterstützer der Ukraine wurden.
Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident António da Costa soll den Belgier Charles Michel als Ratspräsident ablösen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass der Sozialdemokrat Costa „partnerschaftlich“ mit von der Leyen zusammenarbeiten und nicht, wie Michel, mit ihr konkurrieren wird.
Die wichtigste Personalentscheidung ist die Nominierung der estnischen Regierungschefin Kaja Kallas zur neuen EU-Außenbeauftragten. Die Tochter eines stalinistischen Funktionärs, der nach der Auflösung der Sowjetunion zu einem Protagonisten der Wirtschaftsliberalisierung wurde, ist eine glühende Gegnerin Russlands. Estland, einem Land mit 1,3 Millionen Einwohnern – davon ein Drittel mit russischen Wurzeln – wird damit ein außergewöhnlicher Einfluss auf die europäische Außenpolitik und auf die Entscheidung über Krieg und Frieden eingeräumt.