Von Rainer Werning 17. April 2025
Vor fünf Jahrzehnten, am 17. April 1975 und noch zwei Wochen vor der desaströsen Niederlage der USA in Vietnam, marschierten im Nachbarland Kambodscha die in Schwarz und mit rotweißen Halstüchern gekleideten Truppen der Roten Khmer unter dem Jubel der Bevölkerung in die Hauptstadt Phnom Penh ein. Vorbei war die verhasste Militärherrschaft unter dem damaligen Premier- und Verteidigungsminister Lon Nol, der sich 1970 mit Hilfe der CIA an die Macht geputscht und den im Ausland weilenden Staatschef Prinz Norodom Sihanouk abgesetzt hatte.
Im April 1975 begann in Kambodscha der zweite von drei Akten einer blutigen Dekade, deren erster Akt seinen Ausgang im Frühjahr 1970 mit dem Putsch Lon Nols und dem kurz darauf erfolgten Einmarsch US-amerikanischer Kampftruppen und verbündeter südvietnamesischer Verbände in das vormals neutrale Königreich nahm. Den letzten Akt bestritten nach knapp vierjähriger Herrschaft der Roten Khmer vietnamesische Truppenverbände, die im Januar 1979 – je nach Perspektive – als „Befreier“ oder „Invasoren“ in das Nachbarland einmarschierten und dessen Regime ein Ende bereiteten.
Schroffe Stadt-Land-Gegensätze
Kambodscha war eine bäuerlich-dörfliche Gesellschaft, in der Gemeineigentum und kommunale Produktion ausgeprägter waren als feudaler Großgrund- und individueller Landbesitz. Das Zentrum der Macht, der Stadtstaat und/oder die Stadt, galt seit jeher als Inbegriff tributärer Schröpfung und bot gleichzeitig Schutz gegenüber äußeren Feinden. Während der französischen Kolonialzeit (Ende des 19. Jahrhunderts bis 1953) waren in den Zitadellen städtischer Macht und Herrschaft auch vietnamesische Administratoren eingesetzt, während der Handel und das Gewerbe eine Domäne der Chinesen waren. Im Verlauf der kambodschanischen Geschichte war für den überwiegenden Teil der Khmer-Bevölkerung die Stadt nicht nur der Ort, von dem aus ihre Ausbeutung organisiert wurde, sondern auch ein von in- und ausländischen Eliten geprägtes Sozialsystem. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte Phnom Penh 110.000 Einwohner, davon immerhin 33 Prozent Chinesen und 26 Prozent Vietnamesen.