Von Isabel Roy – 26. Januar 2024
In deutschen Medien und Regierungskreisen nimmt eine Kampagne an Fahrt auf, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einzuschränken. Seit Herbst häufen sich Interviews mit Managern, Ökonomen und Politikern, die Arbeitern wegen des steigenden Krankenstands Faulheit und Verwöhntheit vorwerfen und die Abschaffung jahrzehntealter sozialer Errungenschaften fordern.
Am 6. Januar forderte Allianz-Chef Oliver Bäte im Handelsblatt die Einführung eines „Karenztages”. Am ersten Krankheitstag soll die Lohnfortzahlung gestrichen werden. „Wir müssen darüber sprechen, was wir uns in einer alternden Gesellschaft noch leisten können,” begründete dies Bäte.
Dies sagt ein Mann, dessen Gehalt sich von 2022 bis 2023 um zehn Prozent auf 7,5 Millionen Euro Jahr erhöhte. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat die Allianz ihre Gewinne kontinuierlich gesteigert. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet der Versicherungskonzern ein operatives Ergebnis von 14,8 Milliarden Euro. Das liegt am oberen Ende der prognostizierten Spanne.
Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hat sich der Forderung nach Karenztagen angeschlossen. Sie brachte außerdem Teilzeitkrankschreibungen für einige Stunden am Tag ins Spiel, die es ermöglichen sollen, Angestellte mit Knochenbrüchen und ähnlichen Verletzungen im Homeoffice weiter arbeiten zu lassen. Den Vorschlag hatte ursprünglich der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, gemacht. Er wird auch aus Kreisen der Grünen und der FDP unterstützt.
Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Sepp Müller erklärte, Deutschlands Sozialsysteme würden „immer weiter beansprucht“, deshalb müsse man über neue Ideen diskutieren. Auch Rufe nach der Abschaffung der telefonischen Krankschreibung oder einer „Reform“ des 8-Stunden-Tages (FDP und CDU) werden erhoben.