Von Verena Nees – 20. Februar 2024
Vergangenen Samstag fand unter großem Beifall des Publikums und „Free Palestine“-Rufen die Weltpremiere des Dokumentarfilms „No Other Land“ im Berlinale-Festival statt. Der Film des palästinensisch-israelischen Kollektivs von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor zeigt die brutale Vertreibung palästinensischer Dorfbewohner aus Masafer Yatta, einer Siedlung aus 19 Dörfern südlich von Hebron im Westjordanland.
Basel Adra, ein junger palästinensischer Rechtsstudent, der in diesem Gebiet lebt und aufgewachsen ist, und Yuval Abraham, israelischer Journalist aus Tel Aviv, vermitteln hautnah und in Echtzeit die erschütternden Ereignisse. Sie filmen alles, was sie erleben, tauschen sich gegenseitig das Material, versuchen, es über Social Media zu verbreiten und Aufmerksamkeit in internationalen Medien zu erreichen. Sie selbst müssen sich vor dem aggressiven Vorgehen der israelischen Armee und der mit ihnen verbündeten Kampftrupps der Siedler schützen. Freunde und Angehörige helfen immer wieder, sie und ihr Filmmaterial zu verstecken.
Wer sich gegen die Räumung wehrt, wird gnadenlos zusammengeschlagen. Basel Adras Cousin ist einer davon. Er überlebt anfangs knapp, ist aber vollständig gelähmt. In einer Höhle liegt er auf einer Matratze am Boden, Tag und Nacht bewacht von seiner verzweifelten Mutter. Sein Schicksal löst unter seinen Freunden und den Dorfbewohnern massive Proteste aus. Sie fordern medizinische Hilfe, doch einen Platz in einer Pflegeeinrichtung gibt es nicht, und das Haus der Familie samt Betten ist zerstört. Am Ende stirbt er doch, wie der Film am Schluss mitteilt.
Nach der Vertreibung der Bewohner kommen die Bagger, zertrümmern alles, was die Menschen zum Leben brauchen – ihre Häuser, ihr Mobiliar, elektrische Geräte, Schaf- und Hühnerställe, Straßen, Lampen, die Stromversorgung. Schockierend die Filmaufnahmen von der Zerstörung eines modernen, gepflegten Badezimmers mit einem Bagger, gefolgt von zwei, drei Soldaten, die mit einer Säge die Wasserleitung durchtrennen.
Die geflüchteten Menschen retten sich in Höhlen der Gegend, die noch aus der Antike stammen, mit wenigen Habseligkeiten und Decken, die sie retten konnten. Ohne Wasser und Strom versuchen sie, unter den primitivsten Bedingungen zu überleben, sammeln Holz für Heizung und Kochen.
Zuletzt zerstören die Besatzer auch die Schule, die die Dorfbewohner eigenhändig aufgebaut haben, nachdem ihre Schulbusse auf der Fahrt in die nächste Stadt immer wieder angegriffen und gestoppt wurden.
Freunde von Basel Adra demonstrieren für ein friedliches Zusammensein von Palästinensern und Juden: „From both sides of the wall“, singen sie. Sie verweisen damit auf die hohe Betonmauer, die das israelische Regime im Westjordanland zwischen den Siedlergebieten und den palästinensischen Dörfern errichten ließ, und die man nicht „Mauer“, sondern nur „Sicherheitszaun“ nennen darf.
Yuval Abraham darf sich als Israeli frei bewegen und mit seinem Auto durch diese martialische Grenze fahren, die Palästinenser nur mit Sondergenehmigungen. Die einen haben gelbe, die anderen grüne Nummernschilder. Er ist nicht der einzige Israeli, der immer wieder den Kontakt zu den Palästinensern sucht, wie Basel später in einem Interview sagt. Aber als Journalist mit Kamera dorthin zu gehen, ist verboten, und von offiziellen israelischen Stellen wird er als Verräter denunziert.
Yuval und Basel wollen mit ihrem Film die Welt aufrütteln – in Israel ebenso wie in Deutschland, USA und den anderen westlichen Ländern, die die Netanyahu-Regierung mit Waffen und Geld unterstützen. …