Antwort des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf die Frage nach den EU-Russland-Beziehungen und dem Fall Nawalny während der Pressekonferenz mit dem dänischen Amtskollegen Jeppe Kofod. Wir dokumentieren den originalen Wortlaut in deutscher Übersetzung durch die russische Botschaft in Berlin:
„Mit den Beziehungen zwischen Russland und der EU geht es rapide bergab. Wir erleben, wie neben der schon längst bekannten durchaus aggressiven russophoben Minderheit auch seriöse alteuropäische Länder versuchen, sich an die Spitze dieser Bewegung zu stellen. Deutschland nicht ausgenommen. Das bekümmert uns. Doch wir können leider nichts dagegen tun. Unsere Position ist offen und ehrlich. Über alle diese Jahre haben wir der Europäischen Union gesagt, wir würden nicht verstehen, wieso sie seit 2014 alle Kooperationsmechanismen gegen die Wand fahren würde: Gipfeltreffen, Sitzungen des Ständigen Partnerschaftsrats, über zwei dutzend Fachdialoge. Das alles machte unsere Tagesordnung aus, bildete die Substanz unserer Zusammenarbeit. Hinzu kamen vier gemeinsame Kooperationsräume, Modernisierungspartnerschaft und vieles andere mehr. Die EU brach diese Beziehungen ab, nachdem Frankreich, Deutschland und Polen im Februar 2014 in der Ukraine vermittelt und Vereinbarungen erwirkt hatten, die vom damaligen Präsidenten Janukowitsch und der Opposition unterzeichnet worden waren.“
Im Vorfeld des für den 12. Oktober geplanten EU-Gipfels hat die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) einen Bericht veröffentlicht, laut dem der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny mit einer Nowitschok ähnlichen Substanz vergiftet wurde. Es handele sich um eine als Cholinesterasehemmer wirkende Chemikalie, die selbst nicht auf der OPCW-Liste verbotener Substanzen stehe, solchen Stoffen in ihrer Struktur aber ähnlich sei.
Ist ein Szenario denkbar, in dem die Befunde sowohl des Omsker Krankenhauses als auch der Charité und sogar des Bundeswehrlabors korrekt sind? – Ein Versuch. Wie auf anderen Tätigkeitsfeldern sind die im medizinischen Bereich Beschäftigten mit Berufsstolz erfüllt, der durch den Eid des Hippokrates noch zusätzliches Gewicht erhält. Stützen sich Stellung-nahmen wie im Fall Nawalny auf entnommene Proben, gibt es für Ärzte und Laboranten einen weiteren Grund, falsche Diagnosen zu vermeiden und Analyseergebnisse korrekt zu publizieren: Neuuntersuchungen sind jederzeit möglich und Fehlernachweise könnten an ihrem Ruf nagen.
Der Cheftoxikologe des Föderalen Bezirks Sibirien sowie des Gebiets Omsk und Abteilungsleiter des Krankenhauses Nr. 1 der Stadt Omsk, Dr. med. Alexander Sabajew, gewährt in einem Interview detaillierte Einblicke in die Behandlung Alexej Nawalnys, bevor der oppositionelle Blogger nach Deutschland ausgeflogen wurde.
Wir dokumentieren im Folgenden die gemeinsame Erklärung der Außenminister von Frankreich und Deutschland zum Fall Nawalny sowie die auf diese Erklärung bezogene Stellungnahme der Pressesprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa.
Zum Fall Nawalny erklärten Außenminister Heiko Maas und sein französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian heute gemeinsam (7. Oktober 2020):
Frankreich und Deutschland bekräftigen, dass sie die Vergiftung von Alexej Nawalny auf russischem Hoheitsgebiet durch Einsatz eines militärischen Nervenkampfstoffs der von Russland entwickelten Nowitschok-Gruppe in aller Schärfe verurteilen. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) hat die Befunde unserer beiden Länder gestern bestätigt.
Wie in unserer gemeinsamen Erklärung am 4. September betont, untergräbt dieser grausame Mordversuch die grundlegenden Prinzipien von Demokratie und Pluralismus. Zudem ist er ein weiterer schockierender Fall des Einsatzes einer Chemiewaffe, zwei Jahre nachdem am 4. März 2018 eine ähnliche Waffe von Russland auf britischem Hoheitsgebiet, in Salisbury, eingesetzt worden war.
Ein Mordversuch hat auf russischem Boden stattgefunden; er richtete sich gegen einen russischen Oppositionellen und wurde mit einem von Russland entwickelten militärischen Nervenkampfstoff verübt.
In Anbetracht dieser Umstände haben Frankreich und Deutschland Russland wiederholt aufgefordert, die Umstände dieses Verbrechens vollständig aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Bislang ist von Russland keine glaubhafte Erklärung geliefert worden. Daher sind wir der Ansicht, dass es keine andere plausible Erklärung für die Vergiftung von Herrn Nawalny gibt als eine russische Beteiligung und Verantwortung.
Frankreich und Deutschland werden die notwendigen Schlüsse aus diesen Tatsachen ziehen und ihren europäischen Partnern Vorschläge für zusätzliche Sanktionen unterbreiten. Die Vorschläge werden auf Einzelpersonen abzielen, die aufgrund ihrer offiziellen Funktion als verantwortlich für dieses Verbrechen und den Bruch internationaler Rechtsnormen gelten, sowie auf eine Einrichtung, die in das Nowitschok-Programm eingebunden ist.
Frankreich und Deutschland stehen weiterhin mit ihren Partnern in Kontakt, um über weitere Maßnahmen als Antwort auf diese Verletzung des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) zu entscheiden.
Die Regierungen von Frankreich und Deutschland bringen gegenüber Herrn Nawalny und seiner Familie erneut ihre uneingeschränkte Solidarität zum Ausdruck und übermitteln ihm beste Wünsche für eine baldige Genesung.
https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-le-drian-nawalny/2403032 Gemeinsame Erklärung der Außenminister von Frankreich und Deutschland zum Fall Nawalny
Stellungnahme der Pressesprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa zur gemeinsamen Erklärung der Außenminister von Frankreich und Deutschland zum Fall Nawalny, 8. Oktober 2020
Die von Inhalt und Tonalität her unakzeptable Erklärung der beiden Minister signalisiert, dass Paris und Berlin ausdrücklich nicht gewillt sind, Fakten Rechnung zu tragen, die mehrfach von russischen Vertretern vorgetragen wurden.
Anstatt im Sinne der Aufklärung der Umstände des Vorfalls mit dem Blogger mit der Russischen Föderation wie geboten zusammenzuarbeiten, gehen die Regierungen von Deutschland und Frankreich nun zu Drohungen und Erpressungsversuchen gegen uns über. Sie rufen die Europäische Union auf, weitere Sanktionen gegen russische natürliche und juristische Personen zu beschließen, und setzen sich schlicht und ergreifend über die eigenen Verpflichtungen aus dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen hinweg. Alle Ersuchen von Russlands Generalstaatsanwaltschaft, die im Rahmen des Übereinkommens gestellt werden, werden ignoriert.
Unsere Kollegen haben wir mehr als einmal darauf hingewiesen, dass es unzulässig ist, unsere zahlreichen über verschiedene Kanäle erfolgten Anfragen außer Acht zu lassen. Die Reaktion bleibt jedoch aus. Man scheint dort in Intrigen kopfüber versunken zu sein, die hinter den Kulissen gesponnen werden. Russische Ersuchen, die sowohl bilateral als auch ans Technische Sekretariat der OVCW gestellt werden, werden demonstrativ nicht beachtet.
Allem Anschein nach stellen sich Frankreich und Deutschland an die Spitze einer „antirussischen Koalition“, die sich in der Europäischen Union formiert, und das trotz mehrfacher bisheriger Beteuerungen aus Berlin und Paris, man bekenne sich zur Partnerschaft mit Russland.
Von unserer Seite wollen wir bekräftigen: Wenn die Kollegen bereit sind, diesen Konfrontationskurs zu überdenken, indem sie auf Diktatversuche verzichten, sind Möglichkeiten der Normalisierung offen. Wenn nicht, dann werden wir unsere Schlussfolgerungen ziehen. Wie dem auch sei, „business as usual“ mit Berlin und Paris halten wir nicht für möglich.
Die Medien überschlagen sich mit Meldungen darüber, die OPCW habe die Nowitschok-Vergiftung von Navalny bestätigt. Das stimmt so nicht ganz und vor allem ist wichtig, dass es nur eine Pressemeldung gibt und dass der detaillierte Bericht (noch) geheim ist. Das haben wir im Fall Skripal schon mal erlebt. Für die Presse hat die OPCW eine Vergiftung mit Nowitschok gemeldet, aber im Bericht stand dann etwas anderes, unter anderem, dass ein ganz anderer Kampfstoff in den Proben gefunden wurde. Auf Russlands Nachfrage wurde dann mitgeteilt, der Kampfstoff sei den Proben nur zu Analyse- und Vergleichszwecken beigefügt worden. Nun scheint es ein ähnliches Muster zu geben.
Hat eine besonders tödliche Variante des Nervenkampfstoffes ihre Wirkung beim „Berliner Patienten“ Nawalny verfehlt? Die wundersame Genesung des russischen Oppositionellen lässt für die „Nowitschok-Theorie“ kaum noch Raum. Über die verbale Äquilibristik im Fall Nawalny. … Je mehrdie „eingeweihten Kreise“ an Informationen durchsickern lassen, desto schwieriger wird es, die Version aufrechtzuerhalten,dass Nawalny mit einem Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sei.
Ein Kommentar von Rainer Rupp – 25. September 2020
Abgesehen von einigen wenigen durchgeknallten US-Stiefelleckern in den Regierungsparteien, wie z. B. CDU-Möchtegern-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und die große SPD-Nebelkerze Heiko Maas, kommen die lautstärksten Schreihälse für mehr Konfrontation mit Russland – bis hin zum Risiko eines bewaffneten Konflikts – aus der kriegsversifften Partei „Die Grünen“.
Die aufgezeichnete Rede von US-Präsident Donald Trump, die am Dienstag während der Eröffnungssitzung der UN-Vollversammlung gezeigt wurde, war eine Mischung aus hysterischer Hetze gegen China und verlogenen Versuchen, von der katastrophalen Reaktion der USA auf die Corona-Pandemie abzulenken. Trump prahlte mit der Stärke des US-Militärs und dessen Fähigkeiten, die Welt zu zerstören.
RT-Deutsch hat am 21. September ein Interview mit einem Juristen veröffentlicht, das leider inhaltlich hochgradig fraglich ist. Nicht weil der Jurist etwas Unwahres erzählt, sondern weil er – offensichtlich aus Unwissen über die russischen Ermittlungen – von falschen Voraussetzungen ausgeht. Im Fall Navalny dreht sich inzwischen alles um die russischen Rechtshilfegesuche. Russland fordert von Deutschland Beweise für die Vergiftung, Deutschland mauert bisher und sagt, Russland habe genug Beweise im eigenen Land und müsse Antworten liefern. warum ich die angebliche Nowitschok-Vergiftung für einen Fake halte, habe ich hier bereits ausführlich erklärt. Darum soll es heute aber nicht gehen, heute will ich den Fall formaljuristisch beleuchten und auf die daraus folgende politische Sackgasse eingehen, in die Deutschland sich manövriert hat.