Von Johannes Stern – 26. Dezember 2023
„Der 20. Dezember 2023 wird in die Geschichte eingehen“, erklärte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, nachdem sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments wenige Tage vor Weihnachten endgültig auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) geeinigt hatten. Sie sei „sehr stolz darauf, dass wir mit dem Migrations- und Asylpakt Lösungen gefunden und umgesetzt haben.“
Der Tag wird in der Tat in die Geschichte eingehen, als Tag, an dem die EU und ihre nationalen Regierungen ganz offen das flüchtlingsfeindliche Programm der extremen Rechten übernommen haben. Die Umsetzung der von der EU auf den Weg gebrachten „Lösungen“ bedeutet die Abschaffung des Asylrechts, den Ausbau der Festung Europa, Massendeportationen und die Inhaftierung selbst von Frauen und Kindern in KZ-ähnlichen Abschiebelagern.
Unmittelbar nach Verkündung des Deals durch Metsola jubelte die rechtsextreme AfD auf der Online-Plattform X (vormals Twitter): „Parlament und Europarat haben sich jetzt auf ein entschiedeneres Vorgehen gegen illegale Migranten verständigt. Kontrollen, ausnahmslose Registrierung aller Nicht-EU-Bürger ohne Pass und Asylzentren direkt an den Außengrenzen, um Migranten aus sicheren Ländern so schnell wie möglich wieder abzuschieben. All das fordert die AfD schon seit langem.“
Die geplanten Maßnahmen sind barbarisch und erinnern an die dunkelsten Zeiten der europäischen Geschichte. Mit dem Deal werde „die dystopische Vision eines Europas der Haftlager … Realität werden“, schreibt die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Und Eve Geddie, Direktorin des Büros für Europäische Institutionen von Amnesty International, warnt: „Diese Vereinbarung wird das europäische Asylrecht auf Jahrzehnte zurückwerfen. Das wahrscheinliche Ergebnis ist ein Anstieg des Leids auf jeder Etappe der Reise eines Menschen, der in der EU Asyl sucht.“
Unter anderem sieht der Deal vor, dass Geflüchtete in Zukunft direkt an den EU-Außengrenzen festgehalten werden. In der Pressemitteilung des Europäischen Rats und des Europäischen Parlaments vom 21. Dezember heißt es, das mit der sogenannten Asylverfahrensverordnung (APR) ein „obligatorisches Grenzverfahren eingeführt“ werde, „um an den EU-Außengrenzen schnell zu prüfen, ob Asylanträge unbegründet oder unzulässig sind“. Personen, die diesen Asylgrenzverfahren unterliegen, dürften „nicht in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates einreisen“. Stattdessen müssen sie „den Behörden am Kontrollort zur Verfügung stehen“ und können „in Gewahrsam genommen werden“.
Was das konkret bedeutet, ist klar. Flüchtlinge werden in mit Stacheldraht umgebenen Haftlagern eingesperrt, wie sie bereits jetzt an den europäischen Außengrenzen existieren, und müssen dort jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen. In der Pressemitteilung fordert die EU von ihren Mitgliedstaaten, „eine angemessene Aufnahme- und Personalkapazität zu schaffen“ – konkret ist die Rede von 30.000 Haftplätzen –, „die es ihnen ermöglicht, jederzeit das Grenzverfahren durchzuführen und Rückführungsentscheidungen für eine bestimmte Anzahl von Anträgen zu vollstrecken“.