Geheimakten freigegeben: Russland bezweifelt die offizielle Version des Kennedy-Attentats

Von Thomas Röper – 20. November 2023

In Russland wurden Unterlagen über die Zeit des Kennedy-Attentats freigegeben, die zeigen, dass die sowjetische Führung die offizielle Version des Kennedy-Attentats von Anfang an bezweifelt hat. – 60 Jahre nach den tödlichen Schüssen auf US-Präsident Kennedy hat das russische Staatsarchiv geheime Akten freigegeben, die zeigen, wie das Kennedy-Attentat und seine Folgen von der sowjetischen Führung aufgenommen wurden. Das russische Fernsehen hat am Sonntag in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick darüber berichtet und ich habe den russischen Bericht übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Das Kennedy-Attentat: Ein neuer Blick auf die Ereignisse vor 60 Jahren

Vergilbte, als Verschlusssache eingestufte Mitteilungen, Berichte und Regierungsverordnungen dokumentieren die erste Reaktion der Sowjetunion auf die Ermordung des 35. US-Präsidenten. Erst jetzt sind diese Dokumente für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie sind mehr als nur eine Chronik.

Sie sind eine verschlungene geopolitische Detektivgeschichte, die sich auf beiden Seiten des Atlantiks unmittelbar nach den Schüssen in Dallas und den damit verbundenen geheimen Details der persönlichen Beziehung zwischen Chruschtschow und Kennedy entfaltete.

Die beiden standen sich während der akuten Kubakrise gegenüber und beide waren in der Lage, sich über das Unmittelbare hinwegzusetzen und eine strategische Lösung zu finden, die dazu beitrug, den Frieden zu wahren.

Dies ist das erste Mal, dass diese historischen Dokumente auf dünnem Papier mit dem Vermerk „streng geheim“ gezeigt werden. Vor 60 Jahren wurden sie vom Botschafter in Washington, Anatoli Dobrynin, ausschließlich an die sowjetische Führung geschickt. Nur hochrangige Offiziere des militärischen Geheimdienstes hatten die Erlaubnis, sie zu lesen.

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Chris Hedges: Israels Endlösung für die Palästinenser

Von Chris Hedges – 8./5. November 2023

Wenn jüdische Extremisten, fanatische Zionisten, religiöse Eiferer, Ultranationalisten und Kryptofaschisten im Apartheidstaat Israel sagen, dass sie den Gazastreifen vom Angesicht der Erde tilgen wollen, sollte man ihnen glauben.

Ich habe über die Geburt des jüdischen Faschismus in Israel berichtet. Ich berichtete über den Extremisten Meir Kahane, der nicht mehr kandidieren durfte und dessen Kach-Partei 1994 verboten und von Israel und den Vereinigten Staaten zu einer terroristischen Organisation erklärt wurde. Ich besuchte politische Kundgebungen von Benjamin Netanjahu, der von rechtsgerichteten Amerikanern großzügig finanziert wurde, als er gegen Yitzhak Rabin kandidierte, der mit den Palästinensern über eine Friedensregelung verhandelte. Netanjahus Anhänger skandierten „Tod für Rabin“. Sie verbrannten ein Bildnis von Rabin in einer Nazi-Uniform. Netanjahu marschierte vor einem vorgetäuschten Begräbnis für Rabin.

Premierminister Rabin wurde am 4. November 1995 von einem jüdischen Fanatiker ermordet. Rabins Witwe, Lehea, machte Netanjahu und seine Anhänger für den Mord an ihrem Mann verantwortlich.

Netanyahu, der 1996 zum ersten Mal Ministerpräsident wurde, hat seine politische Karriere damit verbracht, jüdische Extremisten zu fördern, darunter Avigdor Lieberman, Gideon Sa’ar, Naftali Bennett und Ayelet Shaked. Sein Vater Benzion – der als Assistent des zionistischen Pioniers Vladimir Jabotinsky arbeitete, den Benito Mussolini als „guten Faschisten“ bezeichnete – war ein Führer der Herut-Partei, die den jüdischen Staat aufforderte, das gesamte Land des historischen Palästina zu besetzen. Viele der Mitglieder der Herut-Partei verübten während des Krieges von 1948, der zur Gründung des Staates Israel führte, terroristische Anschläge. Albert Einstein, Hannah Arendt, Sidney Hook und andere jüdische Intellektuelle beschrieben die Herut-Partei in einer in der New York Times veröffentlichten Erklärung als eine „politische Partei, die in ihrer Organisation, ihren Methoden, ihrer politischen Philosophie und ihrer gesellschaftlichen Anziehungskraft den nationalsozialistischen und faschistischen Parteien sehr ähnlich ist“.

Im zionistischen Projekt gab es schon immer eine Form des jüdischen Faschismus. Jetzt hat er die Kontrolle über den israelischen Staat übernommen.

„Die Linke ist nicht mehr in der Lage, den giftigen Ultranationalismus zu überwinden, der sich hier entwickelt hat“, warnte Zeev Sternhell, ein Holocaust-Überlebender und Israels führende Autorität auf dem Gebiet des Faschismus, im Jahr 2018, „die Art, deren europäische Ausprägung fast eine Mehrheit des jüdischen Volkes ausgelöscht hat.“ Sternhell fügte hinzu: „[W]ir sehen nicht nur einen wachsenden israelischen Faschismus, sondern einen Rassismus, der dem Nazismus in seinem Anfangsstadium ähnelt.“

Die Entscheidung, den Gazastreifen auszulöschen, ist seit langem der Traum von Israels Kryptofaschisten, den Erben von Kahanes Bewegung. Diese jüdischen Extremisten, die die herrschende Koalitionsregierung bilden, inszenieren den Völkermord in Gaza, wo täglich Hunderte von Palästinensern sterben. Sie setzen sich für die Ikonographie und die Sprache ihres heimischen Faschismus ein. Jüdische Identität und jüdischer Nationalismus sind die zionistische Version von Blut und Boden. Die jüdische Vorherrschaft wird von Gott geheiligt, ebenso wie das Abschlachten der Palästinenser, die Netanjahu mit den biblischen Ammonitern vergleicht, die von den Israeliten massakriert wurden. Feinde – in der Regel Muslime –, die ausgelöscht werden sollen, sind Untermenschen, die das Böse verkörpern. Gewalt und die Androhung von Gewalt sind die einzigen Formen der Kommunikation, die diejenigen außerhalb des magischen Kreises des jüdischen Nationalismus verstehen. Millionen von Muslimen und Christen, einschließlich derer mit israelischer Staatsbürgerschaft, sollen ausgerottet werden.

Ein durchgesickertes zehnseitiges Dokument des israelischen Geheimdienstministeriums vom 13. Oktober 2023 empfiehlt die gewaltsame und dauerhafte Umsiedlung der 2,3 Millionen palästinensischen Bewohner des Gazastreifens auf die ägyptische Sinai-Halbinsel.

Es ist ein schwerwiegender Fehler, die blutigen Rufe nach der völligen Ausrottung und ethnischen Säuberung der Palästinenser nicht ernst zu nehmen. Diese Rhetorik ist keine Übertreibung. Sie ist eine wörtliche Vorschrift. Netanjahu beschrieb in einem später gelöschten Tweet den Kampf mit der Hamas als einen „Kampf zwischen den Kindern des Lichts und den Kindern der Finsternis, zwischen Menschlichkeit und dem Gesetz des Dschungels“.

Diese jüdischen Fanatiker haben ihre Version der Endlösung des Palästinenserproblems begonnen. In den ersten zwei Wochen des Angriffs warfen sie 12.000 Tonnen Sprengstoff auf den Gazastreifen und zerstörten damit nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Hilfe mindestens 45 Prozent der Wohneinheiten im Gazastreifen. Sie haben nicht die Absicht, sich davon abbringen zu lassen, auch nicht von Washington.

„US-Beamten wurde klar, dass die israelische Führung glaubte, dass massenhafte zivile Opfer ein akzeptabler Preis für die Militärkampagne seien“, berichtete die New York Times.

„In privaten Gesprächen mit amerikanischen Gesprächspartnern verwiesen israelische Beamte darauf, wie die Vereinigten Staaten und andere verbündete Mächte während des Zweiten Weltkriegs auf verheerende Bombenangriffe in Deutschland und Japan zurückgriffen – einschließlich des Abwurfs der beiden Atomsprengköpfe in Hiroshima und Nagasaki – um zu versuchen, diese Länder zu besiegen“, so die Zeitung weiter.

Das Ziel ist ein „reines“, von palästinensischen Verunreinigungen „gereinigtes“ Israel. Der Gazastreifen soll zu einem Ödland werden. Die Palästinenser in Gaza werden getötet oder in Flüchtlingslager jenseits der Grenze in Ägypten gezwungen. Die messianische Erlösung wird stattfinden, sobald die Palästinenser vertrieben sind. Jüdische Extremisten fordern den Abriss der Al-Aqsa-Moscheevon palästinensischen Verunreinigungen gereinigt dem drittheiligsten Heiligtum der Muslime, das auf den Ruinen des jüdischen Zweiten Tempels errichtet wurde, der im Jahr 70 n. Chr. von der römischen Armee zerstört wurde. Die Moschee soll durch einen „dritten“ jüdischen Tempel ersetzt werden, ein Vorhaben, das die muslimische Welt in Aufruhr versetzen würde. Das Westjordanland, das die Eiferer „Judäa und Samaria“ nennen, wird formell von Israel annektiert werden. Israel, das nach den religiösen Gesetzen der ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum regiert wird, wird eine jüdische Version des Iran sein.

Es ist nur ein kleiner Schritt zur totalen israelischen Kontrolle über palästinensisches Land. Israels illegale jüdische Siedlungen, militärische Sperrzonen, gesperrte Autobahnen und Armeekomplexe haben über 60 Prozent des Westjordanlandes in Beschlag genommen und palästinensische Städte und Dörfer in umzingelte Ghettos verwandelt. Es gibt über 65 Gesetze, die palästinensische Bürger Israels und die Bewohner der besetzten Gebiete direkt oder indirekt diskriminieren. Die Kampagne der wahllosen Ermordung von Palästinensern im Westjordanland, viele davon durch schurkische jüdische Milizen, sowie die Zerstörung von Häusern und Schulen und die Beschlagnahmung des verbleibenden palästinensischen Landes werden explodieren. Seit dem Einmarsch der Hamas am 7. Oktober wurden im Westjordanland über 133 Palästinenser von der israelischen Armee und jüdischen Siedlern getötet, und Tausende von Palästinensern wurden vom israelischen Militär verhaftet, geschlagen, gedemütigt und inhaftiert.

Gleichzeitig wendet sich Israel gegen „jüdische Verräter“, die sich weigern, die verrückte Vision der herrschenden jüdischen Faschisten zu übernehmen und die schreckliche Gewalt des Staates anzuprangern. Die bekannten Feinde des Faschismus – Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Intellektuelle, Künstler, Feministen, Liberale, Linke, Homosexuelle und Pazifisten – sind bereits im Visier. Die Justiz soll nach den Plänen von Netanjahu kastriert werden. Die öffentliche Debatte wird verkümmern. Die Zivilgesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit werden nicht mehr existieren. Diejenigen, die als „illoyal“ gebrandmarkt sind, werden deportiert.

Faschisten respektieren die Unantastbarkeit des Lebens nicht. Menschen, selbst aus dem eigenen Stamm, sind entbehrlich, um ihre gestörte Utopie aufzubauen. Die Eiferer an der Macht in Israel hätten die von der Hamas festgehaltenen Geiseln gegen die Tausenden von palästinensischen Geiseln in israelischen Gefängnissen austauschen können, weshalb die israelischen Geiseln ergriffen wurden. Und es gibt Beweise dafür, dass das israelische Militär in den chaotischen Kämpfen, die nach dem Einmarsch der Hamas-Kämpfer in Israel stattfanden, nicht nur auf Hamas-Kämpfer, sondern auch auf die israelischen Geiseln zielte.

„Mehrere neue Aussagen von israelischen Zeugen des Hamas-Überraschungsangriffs auf den Süden Israels am 7. Oktober liefern immer mehr Beweise dafür, dass das israelische Militär seine eigenen Bürger tötete, als sie kämpften, um palästinensische Bewaffnete zu neutralisieren“, schreibt Max Blumenthal in The Grayzone.

Tuval Escapa, ein Mitglied des Sicherheitsteams für den Kibbuz Be’eri, richtete laut Blumenthal eine Hotline ein, um sich zwischen den Kibbuzbewohnern und der israelischen Armee abzustimmen.

Escapa erzählte der israelischen Zeitung Haaretz, dass die Kommandeure vor Ort, als die Verzweiflung einsetzte, schwierige Entscheidungen trafen – einschließlich des Beschusses der Häuser der Bewohner, um „die Terroristen zusammen mit den Geiseln zu eliminieren“.

Die Zeitung berichtete, dass die israelischen Kommandeure „gezwungen waren, einen Luftangriff“ auf ihre eigene Einrichtung am Erez-Übergang zum Gazastreifen zu fliegen, „um die Terroristen zurückzuschlagen“, die die Kontrolle übernommen hatten. In diesem Stützpunkt waren Beamte und Soldaten der israelischen Zivilverwaltung untergebracht.

Nach der Gefangennahme zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah führte Israel 1986 eine Militärpolitik ein, die als Hannibal-Direktive bekannt wurde, offenbar benannt nach dem karthagischen General, der sich lieber vergiftete, als sich von den Römern gefangen nehmen zu lassen. Mit dieser Richtlinie soll verhindert werden, dass israelische Truppen in die Hände des Feindes fallen, indem ein Höchstmaß an Gewalt angewendet wird, selbst wenn dies den Tod der gefangenen Soldaten und Zivilisten bedeutet.

Die Direktive wurde während des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen im Jahr 2014, der als Operation Protective Edge bekannt ist, umgesetzt. Am 1. August 2014 nahmen Hamas-Kämpfer einen israelischen Offizier, Leutnant Hadar Goldin, gefangen. Daraufhin warf Israel mehr als 2.000 Bomben, Raketen und Granaten auf das Gebiet ab, in dem er gefangen gehalten wurde. Goldin wurde zusammen mit über 100 palästinensischen Zivilisten getötet. Die Direktive wurde angeblich 2016 wieder aufgehoben.

Der Gazastreifen ist der Anfang. Das Westjordanland kommt als nächstes dran. 

Israelis, die den palästinensischen Albtraum bejubeln, werden bald ihren eigenen Albtraum erleben.

[Zum Originalbeitrag auf Scheerpost mit Verlinkungen zu den Quellen]

Übersetzung aus dem Englischen mit Hilfe von DeepL

Der Fall Möllemann – oder wie weit darf Kritik an Israel gehen?*

Von Alexander Boulerian – 6. November 2023 (1. August 2006)

*Vorbemerkung der GG-Redaktion: Der nachfolgende Beitrag wurde erstmals am 23. März 2003 unter dem Titel „Der Fall Jürgen W. Möllemann“ auf der Vorgänger-Website www.nachrichten-analysen.de veröffentlicht. Unter dem Eindruck des mörderischen israelischen Angriffs auf den Libanon, der von großen Teilen der deutschen Politik und der hiesigen Medien als Akt der „Selbstverteidigung“ des jüdischen Staates gerechtfertigt wurde, sah sich die Redaktion veranlasst, die in dem Beitrag aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen im August 2006 erneut zur Diskussion zu stellen. Der gegenwärtig mit der Unterstützung der USA/NATO stattfindende Genozid am palästinensischen Volk sowie die gleichzeitige Unterdrückung jeder Kritik an israelischen Kriegsverbrechen, die fälschlich und heuchlerisch-verlogen als Ausdruck von „Antisemitismus“ diffamiert wird, macht deutlich, dass er an Aktualität nicht das Geringste eingebüßt hat.

Nur eine Stunde nach dem einstimmigen Beschluss zur Aufhebung seiner Immunität als Bundestagsabgeordneter sprang der einstige FDP-Spitzenpolitiker Jürgen W. Möllemann am 5. Juni 2003 in den Tod. Möllemanns Untergang und dessen Begleitumstände sind symptomatisch für den Niedergang der politischen Klasse in diesem Land. Unabhängig davon, ob sich sein Tod schließlich als Selbstmord erweisen wird oder ob Fremdeinwirkung im Spiel war – schon jetzt steht fest, dass der einstige FDP-Spitzenpolitiker einem Vernichtungsfeldzug nicht nur seiner eigenen Parteispitze, sondern des gesamten politischen Establishments zum Opfer gefallen ist.

Sicher, Möllemanns Versuche aus der wachsenden Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung gegenüber allen Parteien mit Hilfe populistischer Parolen Kapital zu schlagen, sein eigenwilliger Politikstil, der mit Showeffekten, Werbegags und Medieninszenierungen  zu einer ungewollten Karikatur der bundesdeutschen Politik geriet, wie auch die politischen Inhalte, die er repräsentierte, waren in höchstem Maße fragwürdig. Mag auch sein, dass sich Möllemann (wie viele Politiker vor ihm) der Steuerhinterziehung, des Betrugs, der Untreue und des Verstoßes gegen das Parteiengesetz schuldig gemacht, dass er illegale Parteispenden angenommen hat oder gar tatsächlich über seine Kontakte zu arabischen Organisationen an Waffengeschäften im Nahen Osten beteiligt gewesen war. Nicht aufgrund seiner Geschmacksverirrungen und wahrscheinlichen justiziablen Verfehlungen jedoch war Möllemann seiner Parteiführung und dem gesamten politischen Establishment ein Dorn im Auge. Nicht weniger als seinen Erfolg beim Volk störten diese die Wahrheiten und unerwünschten Einsichten, die Möllemann eben auch vertrat und deren Verbreitung er sich – im Gegensatz zu vielen stromlinienförmigen Karrieristen – auch nicht von seiner eigenen Parteiführung, verbieten ließ. Möllemann wurde vernichtet, weil er die Kreise der politische Klasse störte, der er selbst angehörte und deren Verkommenheit und Prinzipienlosigkeit er so gut kannte wie kaum ein anderer.

Die „zionistische Lobby“ und die „Medienmacht“

Angefangen hatte das Kesseltreiben gegen Möllemann im Mai vergangenen Jahres – mit dem Übertritt des Düsseldorfer Landtagsabgeordneten und Ex-Grünen Jamal Karsli, einem gebürtigen Syrer, in die FDP-Landtagsfraktion von Nordrhein-Westfalen (aufgrund der Nahostpolitik der Grünen). Möllemann, damals noch FDP-Vize und -Landesvorsitzender in NRW, hatte Karslis Übertritt demonstrativ unterstützt. Gegen Karslis Aufnahme in die FDP wurden Stimmen nicht nur aus dem Zentralrat der Juden laut. Begründung: Karsli habe sich mit seinem Vorwurf, die Scharon-Regierung wende gegen die Palästinenser „Nazi-Methoden“ an, als demokratischer Politiker diskreditiert. (1) Seine Äußerungen seien antisemitisch. Einen Tag nach seinem Wechsel in die FDP-Fraktion bedauerte Karsli die Verwendung des Begriffs „Nazimethoden“ als „Ausrutscher“. (2)

Anfang Mai äußerte er dann in einem Interview mit der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit (3) erneut heftige Kritik an Israel und konstatierte „eine moralische Lähmung“ der Deutschen in Bezug auf „die zionistische Lobby“. (4)

Karsli sagte weiter, die „zionistische Lobby“ habe „den größten Teil der Medienmacht in der Welt inne und kann jede auch noch so bedeutende Persönlichkeit ,klein‘ kriegen“. Das klingt zwar eindeutig nach Verschwörungstheorie. Zu dem Ergebnis, „mit dieser Antwort“ sei „die „jüdische Verschwörung“, wie sie die Faschisten immer wieder propagieren, schon angelegt“, wie Jörg Detjen in den Antifaschistische Nachrichten (11/02) meint, kann man aber nur gelangen, wenn man Zionismus willkürlich mit Judentum gleichsetzt. Dies hat Karsli aber nicht getan.

Karslis überspitzte Äußerungen riefen sofort Proteste in allen etablierten politischen Parteien hervor. Die damalige Grünen-Chefin Claudia Roth reagierte empört und warf Karsli „ein unerträgliches Ausmaß an Unmoral und politischer Verantwortungslosigkeit“ sowie das Schüren von Antisemitismus vor. (Berliner Zeitung, 07.5.02)

Obwohl sich Möllemann von dem Interview Karslis distanzierte, geriet er zunehmend selbst ins Visier der Kritik. Ihm wurde nicht nur vorgeworfen, dass er einen Antisemiten decke. Möllemanns Äußerung, die Palästinenser hätten ein Selbstverteidigungsrecht gegen die israelische Besatzungsmacht (er würde sich auch gegen einen Aggressor mit Gewalt zur Wehr setzen, auch in dessen Land) handelte ihm obendrein den Vorwurf ein, er zeige „Sympathie für den palästinensischen Terror“. (Berliner Zeitung, 28.05.02, Der Standard, 23.05.02).

Die Kritik ebbte auch nicht ab, als die FDP auf ihrem Parteitag am 11. Mai einen Antrag verabschiedete, der die Siedlungspolitik Israels kritisierte, aber das Existenzrecht Israels explizit betonte. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, forderte nun von FDP-Chef Guido Westerwelle, den umstrittenen Abgeordneten Jamal Karsli wieder aus der NRW-Landtagsfraktion auszuschließen. Westerwelle müsse „die Notbremse ziehen“. Es sei „unerträglich“, dass sich die Parteiführung nicht von Karsli und dessen „Antisemitismus“ distanziere. (Der Tagesspiegel, 16.5.02)

Explizit äußerte Friedman, Karsli habe Israel in einer Art und Weise angegriffen, die dem NS-Blatt Stürmer gleiche. Die Aufnahme Karslis in die FDP sei ein „katastrophales Signal“. (Der Tagesspiegel, 17.5.02) Unter anderem erklärte Friedmann: „Er hat die jüdische, zionistische Lobby und ihren Welteinfluss kritisiert, und da sind wir wirklich mitten im Dritten Reich.“ (Welt am Sonntag, 15.06.03).

Es gehe, so Friedmann, „ja gar nicht mehr um legitime Kritik an Israel“. Die sei „in einem demokratischen Staat erwünscht. Aber wenn es so wie bei Karsli antisemitisch wird, gibt es keinen Spielraum mehr für einen Parteivorsitzenden (…) es kann doch nicht sein, dass Fraktionsmitglieder einer demokratischen Partei unsanktioniert Aussagen machen können, die wir eindeutig im Umfeld von NPD und Republikanern ansiedeln können.“ (Der Tagesspiegel, 16.05.02) Zuvor hatte Friedmann auch Karslis Gönner Möllemann mehrfach einen Antisemiten genannt.

Es ist bezeichnend, dass diese Äußerungen Michel Friedmanns in den meisten Presseberichten unter den Tisch fielen. Erst nach Friedmanns Attacken und mit direktem Bezug auf diese konterte Möllemann: „Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedmann mit seiner intoleranten und gehässigen Art“. (Süddeutsche Zeitung, 18.05.02). Für den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden hatte sich Möllemann mit dieser (in der Presse häufig verkürzt wiedergegeben) Äußerung auf das „Niveau der Republikaner und der NPD“ begeben, weshalb Friedmann der FDP einen Parteiausschluss Möllemanns nahelegte. (Berliner Zeitung, 22.05.02)

Doch nicht nur Friedmann und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, werteten Möllemanns Vorwürfe als perfiden Versuch, die Kritiker des Antisemitismus für den Antisemitismus verantwortlich zu machen. Im gesamten politischen Establishment (auch von Altliberalen in der FDP, wie Gerhard Baum, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Klaus Kinkel, Hans-Dietrich Genscher) wie auch in der Presse lösten Möllemanns Attacken gegen Friedmann sofort heftige Empörung aus.

Ex-Grünen-Chefin Claudia Roth erstattete Strafanzeige wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Verleumdung gegen Möllemann. (5) Dieser habe mit seinen Attacken gegen Friedmann letztlich das Prinzip „Nur ein stiller Jude ist ein guter Jude“ propagiert. Er habe unterstellt, Juden seien „selbst schuld am Antisemitismus“.(Frankfurter Rundschau, 21.05.05) Möllemann habe „sich als Antisemit geoutet, sich in die Reihe der Volksverhetzer eingereiht und steht politisch in der Nähe von Haider“, so auch die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch (Berliner Zeitung, 23.05.02) Auch Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber forderte, Leute wie Karsli, die „sich in solch unmäßiger Sprache so antiisraelisch äußern und Kritik an Scharon benutzen, um die eigene antisemitische Haltung zu verdecken“, könnten „auf Dauer“ nicht in einer demokratischen Partei bleiben. Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff verurteilte Möllemanns Äußerungen gegenüber der Tageszeitung Die Welt, als  „unakzeptabel und unerhört“. Es sei „eine uralte antisemitische Position, dass man Juden vorwirft, sie dürften sich zu bestimmten Problemen nicht äußern, weil das angeblich Antisemitismus produziere.“ (Berliner Zeitung, 24.05.02) Ähnlich äußerte sich der jüdische Schriftsteller und Journalist Ralph Giordano in einem Brief an Westerwelle: Möllemann habe mit seinen Anschuldigungen gegen Friedmann „das Schlimmste vollbracht, was Juden angetan werden kann: nämlich für Judenfeindschaft Juden verantwortlich zu machen, sie also als eigentliche Verursacher des Antisemitismus zu stigmatisieren!“ Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel erkannte in der inkriminierten Äußerung Möllemanns ebenfalls die „schlimmste Beleidigung“, die Juden seit dem Holocaust angetan worden sei. (Neue Zürcher Zeitung, 07.06.02). Noch eins drauf setzte Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement, nach dessen Worten sich sein einstiger Wunsch-Koalitionspartner FDP damit vom Konsens unter den Demokraten entferne: „Wer gegen diesen Grundsatz verstößt, stellt sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, so Clement bombastisch-drohend. Es blieb dem „Theaterprovokateur“ Christoph Schlingensief vorbehalten, diese vernichtende moralische Verurteilung in die griffige Parole zu übersetzen „Tötet Möllemann!“

„Tabustürmer“ und „geistiger Brandstifter“

Konkret wurde Möllemann nicht nur vorgeworfen, dass er die Kritik an Friedmann mit dessen Religion verquickt habe. Die Vorwürfe zielten vor allem auf Möllemanns Behauptung, er habe ein Tabu gebrochen. Das Recht auf Kritik „an der israelischen Besatzungspolitik“ sei „unbestritten“, verkündeten etwa die Unterzeichner, führende deutsche Journalisten und Medienschaffende, einer unter dem Titel „Einspruch“ u. a. in der Frankfurter Rundschau (04.06.02) veröffentlichten Stellungnahme: „Wer behauptet, es sei ein Tabu, diese Kritik zu äußern, verfälscht die Realität. Er benutzt das alte antisemitische Klischee vom Juden, der die öffentliche Meinung kontrolliert. Dabei weiß er, liest er und sieht, dass es das Tabu nicht gibt: Die israelische Politik wird in den deutschen Medien ausgesprochen kritisch begleitet“. Mit seinen Äußerungen habe Möllemann „geistige Brandstifter“ ermutigt, die sich „durch politische ,Tabustürmer‘ in guter Gesellschaft“ fühlten, so die Unterzeichner. In die gleiche Richtung zielte die Kritik des Zentralratsvorsitzenden Paul Spiegel, der bemängelte, Möllemann habe erreicht, „dass alle glauben, man dürfe Israel und die Juden nicht kritisieren.“ Möllemanns „Trick“, „dies als vermeintlichen Tabubruch“ hinzustellen, müsse entlarvt werden. „Wir bezeichnen niemand als Antisemiten, weil er Israel oder die Juden kritisiert“. (Frankfurter Rundschau, 19.02.02) Und doch hatte Möllemann nichts anderes getan.

Zum Verhängnis wurde dem einstigen FDP-Spitzenpolitiker schließlich sein berühmtes israelkritisches (laut Darstellung der meisten Medien „antisemitisches“) Flugblatt, eine persönliche Broschüre zum Bundestagswahlkampf 2002, das Möllemann an 8,4 Millionen Haushalte verteilen ließ und in dem neben ihm selbst der israelische Premier Ariel Scharon und der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedmann, abgebildet waren. Daneben war zu lesen: „Jürgen W. Möllemann setzt sich seit längerem beharrlich für eine friedliche Lösung des Nahost-Konfliktes ein: Mit sicheren Grenzen für Israel und einem eigenen Staat für die Palästinenser. – Israels Ministerpräsident Ariel Scharon lehnt einen eigenen Palästinenser-Staat ab. Seine Regierung schickt Panzer in Flüchtlingslager und missachtet Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrates. – Michel Friedmann verteidigt das Vorgehen der Sharon-Regierung. Er versucht, Sharon-Kritiker Jürgen W. Möllemann als ,anti-israelisch‘ und ,antisemitisch‘ abzustempeln.“ Darunter: „Von diesen Attacken unbeeindruckt, wird sich Jürgen W. Möllemann auch weiterhin für eine Friedenslösung einsetzen, die beiden Seiten gerecht wird. Denn nur so kann die Gefahr eines Krieges im Nahen Osten gebannt werden, in den auch unser Land schnell hineingezogen werden könnte.“

Was ist daran antisemitisch?

Auch dass der Flyer Scharon und Friedmann alle Schuld am Nahost-Konflikt aufgeladen habe und daher „nur Judenhassern gefallen“ könne, wie Jürgen Elsässer rückblickend in der jungen Welt (11.06.03) meint, entspricht keineswegs den Tatsachen.

Das Flugblatt wurde nicht nur vom Zentralrat der Juden, sondern von den gesamten Medien als „diffamierend“ (Frankfurter Rundschau) und als erneuter antisemitischer Ausfall Möllemanns gewertet. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, erklärte: „Möllemann hat das Tischtuch zerschnitten“ und forderte ein Machtwort des Parteivorsitzenden Westerwelle. In der Folge entzog selbst Möllemanns Ziehvater, Hans-Dietrich Genscher dem FDP-Vize die Unterstützung, während die Altliberale Hedwig Hamm-Brücher unter Protest die Partei verließ, weil sich die FDP-Spitze ihres Erachtens zu spät und halbherzig von Möllemann distanziert habe.

Politische Demontage und moralische Vernichtung

Nachdem die FDP ihr Wahlziel bei der Bundestagswahl weit verfehlt hatte, machte das FDP-Präsidium noch in der Wahlnacht den unbequemen Parteivize für das schlechte Abscheiden der „Freien Demokraten“ verantwortlich und forderte ihn einstimmig zum Rücktritt auf. Gleichzeitig wurde die Frage der Finanzierung von Möllemanns Wahlkampfbroschüre aufgeworfen.

Auf Druck der Parteiführung um Guido Westerwelle trat Möllemann unmittelbar nach der Wahl als stellvertretender Parteivorsitzender zurück. Doch mit diesem Teilrückzug gab sich die Parteiführung nicht zufrieden. Es blieb dem Schatzmeister der Partei, Günther Rexrodt, vorbehalten, Möllemann angesichts der ungeklärten Finanzierung seines Flugblatts eine „wesentliche Verletzung“ des Parteiengesetzes vorzuwerfen und damit dessen Rücktritt als FDP-Landes- und Fraktionschef in NRW zu erzwingen. Im Februar dieses Jahres wurde der einstige Spitzenpolitiker schließlich aus der FDP-Bundestagsfraktion ausgeschlossen, am 17. März trat Möllemann aus der FDP aus, womit er einem drohenden Parteiausschluss zuvorkam. Ein gegen Möllemann eingeleitetes Ausschlussverfahren aus der FDP-Landtagsfraktion in NRW war am 4. Februar am Widerstand seiner dortigen Anhänger knapp gescheitert.

Nachdem die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bereits vier Ermittlungsverfahren gegen Möllemann wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, Betrugs, Untreue und Verstoßes gegen das Parteiengesetz angekündigt hatte, forderte sie am 5. Juni die Bundestagsleitung auf, die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Möllemann um fünf Stunden, von 16 Uhr auf 11 Uhr vorzuverlegen. Sofort nach der Bundestags-Entscheidung startete eine internationale Razzia gegen Möllemann und fünf weitere Beschuldigte, an der neun Staatsanwälte und zirka 100 Beamte des LKA Düsseldorf und der Steuerfahndung Münster beteiligt waren. In der größten Durchsuchungsaktion gegen einen Politiker seit Kriegsende wurden 25 Objekte in Deutschland, Luxemburg, Spanien und Liechtenstein durchsucht: Abgeordentenbüros, Geschäftsräume, Bankhäuser, Privatwohnung, Ferienhaus usw.

Von der FDP-Parteiführung zum Rücktritt gedrängt, hatte Möllemann bereits im November 2002 die Gründung einer neuen Partei angekündigt. „Daraufhin begannen hektische Aktivitäten der Parteiführung in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft, die nicht anders bezeichnet werden können als eine Vernichtungskampagne gegen den Politiker Möllemann.“ (Ulrich Rippert auf der World Socialist Website, 11.06.03).

Tatsächlich übersteigt, was Möllemann getan hat, „kaum die Größenordnung krimineller und halbkrimineller Machenschaften anderer Politiker“ (ebenda), um nur Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), den FDP-Ehrenvorsitzenden und einstigen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) sowie den hessischen Ministerpräsideten Ronald Koch (CDU) als aus dem Morast hervorragende leuchtende Beispiele zu nennen. Anders als Möllemann kamen diese Politiker jedoch glimpflich oder gar gänzlich unbeschadet davon. Warum?

Antizionismus – oder wie weit darf Kritik an Israel gehen?

Die überschäumende Empörung, die die Äußerungen Möllemanns und Karslis im gesamten politischen Establishment hervorgerufen haben, ist zutiefst erklärungsbedürftig. Steht es doch nicht nur in einem krassen Missverhältnis zum vergleichsweise geringfügigen Anlass, sondern auch zur Reaktion derselben Öffentlichkeit auf die brutale und verbrecherische Politik Scharons in den besetzten palästinensischen Gebieten. Man kann sogar behaupten, dass die öffentliche Empörung über Möllemanns „Entgleisungen“ die realen Kriegshandlungen im Nahen Osten über Wochen hinweg völlig in den Hintergrund haben treten lassen. Reiner Zufall?

Zweifellos trug Möllemanns Verteidigung der Palästinenser populistische Züge. Und unbestritten war der einstige FDP-Spitzenpolitiker als Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und geschätzter Gesprächspartner der reaktionären arabischen Regime kein besonders glaubwürdiger Sachwalter der Interessen des palästinensischen Volkes.

Eine Bestätigung für den Verdacht, es ginge ihm nur darum, Wählerstimmen im äußersten rechten Spektrum zu fischen, lieferte Möllemann obendrein selbst, als er sich in einem Interview mit der Tageszeitung Neues Deutschland am 27.05.02 positiv zu den Wahlerfolgen von Rechtspopulisten in Europa äußerte und diese als einen Ausdruck der „Emanzipation der Demokraten“ wertete. Diese Äußerung wie auch sein Eingeständnis, er wolle bei der Bundestagswahl im November „möglichst viele“ Stimmen der 800 000 wahlberechtigten Moslems für die FDP holen, nährt den Verdacht, Möllemann habe gezielt an antiisraelische Ressentiments appelliert. Das Werben um Wähler am rechten Rand bekräftigte mehrfach allerdings auch FDP-Chef Westerwelle, indem er sich ausdrücklich hinter das von Möllemann inspirierte „Projekt-18“ stellte. Der FDP sei „jeder willkommen, der seinen Frust in konstruktives politisches Verhalten umsetzen will“, sagte der forsche FDP-Vorsitzende in einem Interview mit dem Magazin Stern. „Wenn wir verhindern wollen, dass Figuren wie Le Pen oder Haider bei uns Erfolg haben, dann müssen sich die demokratischen Parteien erneuern. Wir tun es.“ (Der Standard, 06.06.02)

Aber war es wirklich die Angst vor einem neuen Erstarken von Antisemitismus und Rechtsradikalismus, die Möllemanns Gegner, beinahe das gesamte politische Establishment und die meinungsbildenden Medien, auf die Barrikaden getrieben hat? Wenn nicht, was dann?

Ungeachtet der Tatsache, dass Möllemanns Äußerungen auch den Beifall von erklärten Antisemiten fanden, sind sie inhaltlich im Kern berechtigt. So ist immer offensichtlicher,  dass die Scharon-Regierung durch ihre Politik der systematischen Provokationen und gezielten Tötungen den „Friedensprozess“ bewusst torpediert, wobei die militärischen Aktionen der israelischen Armee immer mehr den von den Nazis angewandten Methoden ähneln. Indem Michel Friedmann, immerhin ein gewählter Repräsentant der in Deutschland lebenden Juden, Karslis scharfe Verurteilung der Politik Scharons und der „zionistischen Lobby“ auf eine Ebene mit den Hetzparolen eines Julius Streicher stellte und vehement den Auschluss des Ex-Grünen aus der FDP forderte, stellte er sich de facto hinter die verbrecherische Politik Scharons.

Die Kritik an Israel konnte Möllemann nur deshalb für seine populistischen Manöver nutzen, weil sich alle etablierten Parteien mit Kritik an der Scharon-Regierung auffällig zurückhalten. Kein führender Politiker, ob von CDU/CSU, SPD, FDP oder Bündnis90/DIE GRÜNEN hat die Courage, die Verantwortlichen für die Eskalation im Nahen Osten beim Namen zu nennen. Dies gilt im Großen und Ganzen auch für die Medien, wo man bestenfalls von einer „kritischen Begleitung“ der israelischen Politik sprechen kann. Der Begriff des „Terrors“ bleibt aber in aller Regel für die palästinensische Seite reserviert.

Dieses Vakuum konnte Möllemann füllen. Mit ihrer Kritik an der Scharon-Regierung haben Möllemann und Karsli nur ausgesprochen, was viele Menschen denken, ohne dass sie dies schon zu Antisemiten machte. Die heftigen Reaktionen seitens der Medien und des politischen Establishments mussten bei großen Teilen der Bevölkerung den Eindruck erwecken, dass es tatsächlich politisch unerwünscht ist, in puncto Israel „Klartext“ zu reden. Wie Hohn muss es überdies erscheinen, wenn FDP-Chef Westerwelle seine ultimative Forderung zum Ausschluss Karslis aus der FDP-Fraktion mit dem angeblichen „antiisraelischen Leserbrief“ eines israelischen Journalisten (Shraga Elam) begründete (6), den Karsli als „sehr lesenswert per E-Mail an seine Fraktionskollegen weitergeleitet hatte. In dem Brief hieß es: ‚als kritischer israelischer Journalist hat es mich sehr gefreut, dass sie die israelischen Nazi-Methoden angegriffen haben.‘“ (Stuttgarter Zeitung, 06.06.02). (7) Bezeichnend ist, dass die Gegner Möllemanns jede inhaltliche Auseinandersetzung mit dessen Positionen beharrlich vermieden, ja präventiv verhindert haben. Statt argumentiert, wurde moralisch diskreditiert und an den Pranger gestellt. Nachdem Möllemann einmal als „Antisemit“ und „geistiger Brandstifter“ ausgemacht war, folgte seine umfassende Kriminalisierung, die ihn als Politiker endgültig vernichten sollte.

Wer die oben wiedergegebenen Zitate unvoreingenommen auf sich wirken lässt, der muss zu dem Schluss kommen, dass der Vorwurf des Antisemitismus Jürgen W. Möllemann weit weniger trifft als seine angeblich so philosemitischen Gegner, die in Möllemanns Äußerungen Antjüdisches übelster Sorte hinein interpretieren, „Möllemann hätte durchaus vorgehalten werden können, eine Beziehung zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus hergestellt und damit das Judentum generell in die Verantwortung für die israelische Politik genommen zu haben“, urteilt denn auch Werner Pirker in der jungen Welt (14./15.06.03). „Doch trifft dieser Vorwurf auf die Kritiker seiner ,antisemitischen Ausfälle‘ noch viel mehr zu. Die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus ist liberaler Konsens in Deutschland. Eben weil der Prozionismus die Identität von Israel und Judentum postuliert, werden israelische Verbrechen von vielen unreflektiert als jüdische wahrgenommen.“ Dabei stehen Gegner der herrschenden israelischen Besatzungspolitik mit ihrer Kritik noch nicht einmal automatisch in Widerspruch zum „Zionismus“, sondern nur zu einer speziellen Spielart desselben, die auf die zionistisch-revisionistische Ideologie Wladimir (Zeev) Jabotinskys zurückgeht und sich von der ursprünglichen, liberal und sozialistisch geprägten Idee des Zionismus grundlegend unterscheidet. Aber selbst wer die Ideologie vom „jüdischen Staat“ prinzipiell ablehnt, muss deshalb keineswegs ein Gegner der Juden, geschweige denn ein Antisemit sein, trägt der „Zionismus“ doch objektiv nicht zur Lösung des israelisch-palästinenischen Konflikts bei, sondern ist ein wesentlicher Teil des Problems. Möllemanns Gegner in den etablierten Parteien und den Medien ficht das jedoch nicht an.

Weniger Möllemanns und Karslis Äußerungen als vielmehr die Verlogenheit ihrer Gegner im politischen Establishment haben in Wirklichkeit dem Antisemitismus Vorschub geleistet, indem sie bestehende Ressentiments bestätigt haben. Durch das Zusammenwirken der gesamten politischen Klasse, der Zentralrat der Juden mit seiner de facto anti-israelischen Politik eingeschlossen, wurde Karslis Behauptung von der Macht der „zionistischen Lobby“ gewissermaßen nachträglich bestätigt.

Die Gegenwart des Antisemitismus

Dass der Antisemitismus – als Vorwurf oder tatsächliche Gesinnung – überhaupt wieder Gegenstand einer wochenlangen öffentlichen Debatte werden konnte, ist kein Zufall. Die wirklichen Verantwortlichen für den Massenmord der Nazis an den Juden wurden in der Bundesrepublik Deutschland als Nachfolgestaat des Dritten Reiches – mit wenigen Ausnahmen – nie zur Verantwortung gezogen wurden. Im Gegenteil: ehemalige NSDAP-, Gestapo- und SS-Führer wurden in führenden Funktionen von Politik, Verwaltung und Polizei „wiederverwendet“, ehemalige Nazirichter auf Ministerpräsidentenstühle gehievt, ein Ex-Nazi konnte sogar zum Bundeskanzler und ein ehemaliger KZ-Architekt zum Staatspräsidenten aufsteigen. Wo es nur geht, hat sich Deutschland um die Wiedergutmachung des den Opfern des Nationalsozialismus zugefügten Unrechts gedrückt. Anders als z. B. bei Sinti und Roma war dies bei den Juden allerdings nur bedingt möglich, da letztere wirksame Unterstützung aus dem Ausland hatten.

So wie die These von der Kollektivschuld des deutschen Volkes die Anklage der wirklich Verantwortlichen in Staat, Industrie, Justiz und Militär ersetzen sollte, hatte die offizielle Unterstützung Israels als „Sühneleistung“ für den nationalsozialistischen Judenmord die Funktion, die nicht erwünschte Auseinandersetzung mit den Wurzeln und Ursachen des nationalsozialistischen Judenmords zu kompensieren. Wie dünn der Firnis des offiziell so gern betonten christlich-jüdischen Dialogs der politischen Klasse ist, zeigte sich spätestens nach dem Untergang der UdSSR beim Umgang der deutschen Behörden und Politiker mit den sowjetischen Juden, denen (anders als den nicht jüdischen „Russlanddeutschen“) durch eine restriktive Einreisepraxis deutlich gemacht wurde, dass sie in Deutschland nicht eigentlich erwünscht sind.

Wer die Politik Israels (zumal als Deutscher) mit den Methoden der Nazis vergleicht, der zieht schnell den Verdacht des Antisemitismus auf sich. In einer Reihe von Fällen mag das  begründet sein, und auch Möllemann hat wohl auf entsprechende Ressentiments spekuliert.

Diese Ressentiments können aber nur in einem Klima der Verlogenheit gedeihen, sie wuchern dort, wo die grausame Praxis der israelischen Besatzungspolitik verschwiegen oder beschönigt wird – in erster Linie, weil Israel als militanter Außenposten der „freien Welt“ bei den USA und ihren Verbündeten Sonderrechte genießt. Zum anderen aber auch aufgrund einer tatsächlichen „moralischen Lähmung“ – einer Reaktionsbildung auf tief sitzende, nur unterdrückte antisemitische Ressentiments – ein Resultat von über 2000 Jahren Christentum, Nationalsozialismus und Adenauer-Reaktion und den damit verbundenen Niederlagen der sozialistischen Arbeiterbewegung im 20. Jahrhundert (um nur die wesentlichsten Eckpunkte zu nennen).

„Gefahr“ für das politische Establishment

Die Verlogenheit und die Hysterie, welche die gesamte Möllemann-Debatte kennzeichneten, haben aber noch andere, konkretere politische Gründe. Hier ist zum einen die Verschärfung der sich seit einiger Zeit immer deutlicher abzeichnenden politischen und ökonomischen Interessengegensätze zwischen den führenden europäischen Mächten (insbesondere Frankreich und Deutschlands) und der verbliebenen Supermacht USA zu nennen. Während der Populist Möllemann ungeniert für das politische (Wieder-)Erwachen der deutschen und europäischen Bourgeoisie und für ein selbstbewusstes Auftreten gegenüber den Anmaßungen der „einzigen Weltmacht“ USA plädierte, ist das Gros des politischen Establishments bemüht, die Risse im Bündnis durch öffentliche Unterwerfungsgesten zu überdecken und die anfängliche, halbherzige Ablehnung des Irak-Krieges durch die Schröder-Regierung vergessen zu machen. (Anders als Rot-Grün hat Möllemann die US-geführte Invasion eindeutig als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gebrandmarkt!) Im Bemühen um die Gunst der Siegermacht, mit der man wirtschaftlich zutiefst verflochten ist und der man militärisch (noch) nicht das Wasser reichen kann, sind diese Kreise bemüht, möglichst alles zu vermeiden, was die bestehenden Gegensätze verschärfen könnte – und dazu gehört eben auch die allzu deutliche Kritik am US-Außenposten Israel.

Entscheidend für den Vernichtungsfeldzug gegen Möllemann dürfte aber gewesen sein, dass dieser die ihm zugedachte Rolle in der politischen Schmierenkomödie namens deutsche Politik plötzlich aufgegeben und angefangen hatte, von der Bühne herab direkt ans Volk zu sprechen. Als Führer einer rechtspopulistischen Partei, an deren Gründung Möllemann offenbar bis kurz vor seinem Tod gearbeitet hatte, hätte der einstige FDP-Spitzenpolitiker in der Tat für Erschütterungen  im politischen Establishment sorgen können. Die Unterstützung und die Stimmen hunderttausender zutiefst frustrierter Menschen, insbesondere aus den Unter- und Mittelschichten, die aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Rezession und dem dramatischen Abbau sozialer Rechte unter Rot-Grün von sozialem Abstieg bzw. von Verelendung bedroht sind, und deren Interessen von den etablierten Parteien völlig ignoriert werden, wären ihm wohl sicher gewesen – mit allen damit für den offiziellen Politikbetrieb, aber auch für eine echte antiimperialistische und antikapitalistische Bewegung verbundenen Gefahren. (Eine rechtspopulistische Partei mit „richtigen“ Kandidaten könnte Meinungsforschern zufolge bis zu 15 Prozent der Wähler an sich binden, so Manfred Güllner, Chef des Instituts Forsa, gegenüber der Financial Times Deutschland,28.11.02). Die Mobilisierung dieses Potentials  hätte Möllemann durchaus gelingen können. Für seine Gegner in den Spitzen der etablierten Parteien war diese Vorstellung ein Albtraum.

(1) Diese Presseerklärung datiert vom 15.März. Doch erst beim Übertritt Karslis in die FDP erregte sie großes Aufsehen.

(2) Die ehemalige israelische Erziehungsministerin Schulamit Aloni sagte im Rahmen einer Demonstration in Tel Aviv am 9. Februar 2002: „Die israelische Regierung und Armee haben die PalästinenserInnen schon in eine KZ-ähnliche Situation gedrängt. Es fehlt nur noch, dass sie vergast werden. Sollen wir solange warten?“ „Die israelische Regierung manipuliert und missbraucht die Shoa (die Judenvernichtung in der Nazizeit),“ erklärte Aloni weiter. „Im Namen der Shoa soll auch dagegen protestiert werden!“

Der renommierte Militärexperte der Tageszeitung Haaretz, Amir Oren  schrieb am 25. Januar 2002: „,Um uns gut auf die folgende Schlacht vorzubereiten‘, sagte letzthin einer der Kommandanten der Armee in den besetzten Gebieten, ,ist es gerechtfertigt und sogar nötig, von jeder Quelle zu lernen. Wenn das Ziel die Eroberung eines dicht bevölkerten Flüchtlingslager ist, oder der Kassba von Nablus, und die Pflicht des Kommandanten die Erfüllung dieses Ziels ohne Opfer, dann muss er zuerst Konsequenzen früherer Schlachten analysieren und sich einverleiben; auch – so grausam sich dies auch anhören mag –, wie die deutsche Wehrmacht im Wahrschauer Ghetto agierte.‘ (…) Der Offizier erreichte tatsächlich Erschütterung, unter anderem, weil er nicht der einzige ist, der so denkt … .“

(3) Zum Vergleich hier einige Interviewpartner der Jungen Freiheit: Michel Friedman Charlotte Knobloch, Uri Avnery,Prof. Dr. Shlomo Ben-Ami, Prof. Dr. Martin van Crefeld, Prof. Dr. Hans-Georg Gadamer, Prof. Dr. Alfred Grosser, Rabbiner Isaak Haohen Halberstadt, Ephraim Kishon, Charlotte Knobloch, Dr. Salcia Landmann, Elvira Noa, Arundhati Roy, Shaul Yahalom.

(4) Dass es in den USA eine starke „zionistische Lobby“ gibt, dürfte außer Zweifel stehen.The New York Times has called AIPAC the most important organization affecting America’s relationship with Israel, while Fortune magazine has consistently ranked AIPAC among America’s most powerful interest groups.” (http://www.aipac.org/documents/whoweare.html). Ähnlich auch Frankreichs Präsident Jacques Chirac, der das AJC die „wichtigste und mächtigste jüdische Organisation in den USA“ („5 Jahre AJC in Berlin“, taz, 11.02.03) nannte.

(5) Die Anzeige wurde abgewiesen.

(6) In den meisten Medien war noch nicht mal von einem „israelischen Journalisten“ die Rede, sondern nur von einem Brief bzw. einer E-Mail.

(7) Im Übrigen wurde Jamal Karsli u.a. von Felicia Langer, Ilan Pappe, Uri Davis bei seiner Verleumdungsklage gegen Michel Friedmann und Paul Spiegel unterstützt.  „We, the undersigned, support the German MP Jamal Karsli in his lawsuit against the Jewish officials Paul Spiegel and Michel Friedman…”, heißt es in der Erklärung der jüdischen Unterstützer. (http://www.petitiononline.com/jk2002en/petition.html). Die deutsche Presse berichtete darüber mit keinem Wort.

Gaza: Es geht auch um gigantische Wirtschafts- und Machtinteressen der USA

Von Christian Müller – 4. November 2023

Vor etwas mehr als 150 Jahren, 1869, wurde er eröffnet: der damals 162 km lange Suez-Kanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet und dafür sorgt, dass der Güter-Schiffsverkehr zwischen Europa und dem Indischen Ozean nicht mehr um ganz Afrika herum erfolgen muss. Doch es gibt noch ein weiteres Projekt … Bis zur Eröffnung des Suez-Kanals mussten die Handelsschiffe zwischen dem europäischen Nordatlantik und dem indischen Ozean um ganz Afrika herum fahren. Der Suez-Kanal brachte eine Einsparung von einigen tausend Kilometern und mehreren Tagen Fahrzeit. … Die Geschichte des Suez-Kanals umfasst nicht nur etliche Ausbaustufen – größere Tiefe der Fahrrinnen, größere Breite, teilweise Aufteilung in zwei Kanäle mit unterschiedlicher Fahrtrichtung , etc –, sie umfasst auch etliche kriegerische Ereignisse, bei denen es um die politischen und wirtschaftlichen Zuständigkeiten ging: Wer entscheidet, welche Schiffe ihn benützen dürfen, was kostet die Durchfahrt und wem gehören diese Durchfahrt-Erlöse. … Zwei Dinge allerdings sind seit 1975 klar: Der ganze Kanal liegt heute politisch ausschließlich auf ägyptischem Territorium und die bezahlten Durchfahrtserlöse, ca. fünf Milliarden US-Dollars pro Jahr, gehen in die Staatskasse Ägyptens. Und genau das ist das Problem der USA, die mit ihrem weltweiten Hegemonie-Anspruch gerade auch in dieser Region das absolute Sagen haben möchten.

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Israel und die Vereinten Nationen

Von Karin Leukefeld – 4. November 2023

Israel hat Probleme mit den Vereinten Nationen. Geht es um den Konflikt des Landes mit Palästina, geraten israelische Diplomaten schnell außer sich und fordern die Weltorganisation und deren Mitgliedsstaaten heraus. Das anhaltende Bombardement der Bevölkerung in Gaza, von dicht besiedelten Wohnvierteln, Flüchtlingslagern, Schulen, Krankenhäusern, ziviler Infrastruktur, von Journalisten und ihren Familien zeigt, dass Israel zentrale Vereinbarungen des internationalen Rechts ignoriert.

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Verbot der KPD 1956 und seine Geschichte

Von Albrecht Müller – 4. November 2023

Heute war ich unsicher, ob ein gutes Dokument für unsere Serie zu finden wäre, vor allem auch ein Dokument, das die Leserinnen und Leser in der ehemaligen DDR genauso interessieren könnte wie die geborenen Westdeutschen. Dann erinnerte ich mich an das KPD-Verbot von 1956 und fand interessante Dokumente. Fünf Dokumente sind im Folgenden verlinkt. … 1956 erklärte das Bundesverfassungsgericht die KPD für verfassungswidrig und folgte damit dem Antrag der Bundesregierung. „Verfassungswidrig“, so hat der Autor Josef Foschepoth sein Buch über dieses Urteil überschrieben – mit doppelter Bedeutung. Denn der Historiker hält auch das Karlsruher Verfahren für „durch und durch verfassungswidrig“. … Mit „Verfassungswidrig“ hat Josef Foschepoth eine informative und lesenswerte Studie vorgelegt, auch wenn er auf einige drastische Formulierungen und zugespitzte Thesen hätte verzichten können. Ohne beharrliche Nachfragen wäre Josef Foschepoths Buch über das KPD-Verbot von 1956 wohl nie erschienen. Denn nur weil der Freiburger Historiker energisch insistierte, wurden ihm schließlich Akten vorgelegt, die die Bundesregierung jahrzehntelang unter Verschluss gehalten hatte: „Zum ersten Mal konnten eine Fülle, eine Vielzahl von Geheimakten, die bis dato noch nicht freigegeben worden sind, benutzt werden. Und davon profitiert dieses Buch.“

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Die doppelten Standards der Kolonialmächte

Von German-Foreig-Policy.com – 3. November 2023

Bundespräsident Steinmeier sucht mit folgenloser Bitte um „Verzeihung“ für deutsche Kolonialverbrechen in Tansania die Forderung nach Entschädigungen auszuhebeln – ähnlich wie in Namibia. – Mit einer öffentlichen Bitte um „Verzeihung“ für die Massenverbrechen der deutschen Kolonialtruppen im heutigen Tansania sucht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Forderung nach Reparationen zu entgehen. In seiner damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika hatte das Deutsche Reich zunächst, ab den 1890er Jahren, sogenannte „Strafexpeditionen“ und in den Jahren von 1905 bis 1907 einen umfassenden Kolonialkrieg, den Maji-Maji-Krieg, geführt, bei dem bis zu 300.000 Menschen zu Tode kamen – wohl ein Drittel der Einwohner des Kriegsgebiets. Deutsche Offiziere sprachen damals von „Vernichtungsfeldzügen“. Die Forderung nach Entschädigung wurde von Berlin stets abgeblockt; Steinmeier ging bei seinem Besuch in Tansania Mitte dieser Woche nicht darauf ein und war um Beschwichtigung bemüht. Das Vorgehen ist nicht neu: Der Bundesregierung gelingt es mit ähnlichen Taktiken seit Jahrzehnten, die Forderung nach Entschädigung für den Genozid an den Herero und Nama im heutigen Namibia auszusitzen. Berlin, das sich stets als Verfechter globaler Gerechtigkeit inszeniert, eigene Verbrechen aber nicht sühnen will, legt damit einmal mehr seine doppelten Standards offen.

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1923: Die verpasste Revolution

Von Peter Schwarz – 20. Oktober 2023

1923 erschütterte eine tiefe wirtschaftliche und politische Krise die deutsche Gesellschaft in ihren Grundfesten. Zum hundertjährigen Jubiläum sind ein halbes Dutzend neue Bücher über dieses „Jahr am Abgrund“ erschienen, verfasst von bekannten Historikern und Journalisten wie Volker Ullrich und Peter Longerich. Offensichtlich sind die damaligen Ereignisse angesichts hoher Inflation, heftiger Klassenauseinandersetzungen und eskalierender Kriege wieder von brennender Aktualität. Die neuen Bücher folgen alle demselben Narrativ: Als Folge von Hyperinflation, Verelendung und Radikalisierung sei die demokratische Republik durch Umsturzversuche von links und rechts in Gefahr geraten und schließlich durch das beherzte Eingreifen der politisch und militärisch Verantwortlichen gerettet worden. Studiert man die Ereignisse genauer – und dazu findet sich in den Büchern teilweise gutes Material –, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Die soziale Krise zerfetzte die demokratische Fassade der Weimarer Republik und zeigte, was sie wirklich war: ein Deckmantel für die fortgesetzte Diktatur der alten Eliten des Kaiserreichs – der Großindustriellen, Großgrundbesitzer und Militärs. Reichspräsident Friedrich Ebert, ein Sozialdemokrat, „rettete“ die Republik, indem er die Reichswehr gegen aufständische Arbeiter hetzte, die linken sozialdemokratischen Regierungen in Thüringen und Sachsen gewaltsam des Amtes enthob und die Exekutivgewalt im Reich an den Oberbefehlshaber der Reichswehr, General von Seeckt, übertrug, also faktisch eine Militärdiktatur errichtete. Die Errichtung einer solchen Diktatur war auch das Ziel, das Hitler und General Ludendorff im November 1923 mit ihrem Putsch in München verfolgten.

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Bundesregierung „ausdrücklich“ dagegen, die ukrainische OUN-B und Bandera als „antisemitisch“ zu bezeichnen

Von Florian Warweg – 6. Oktober 2023

In der Bundesregierung greift ein haarsträubender Geschichtsrevisionismus um sich. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls die aktuelle Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion zum Thema „Rechtsextreme Ausprägungen der ukrainischen Geschichtspolitik“. Das Auswärtige Amt erklärt dort, man mache sich die Bewertung „bestimmter historischer Gruppierungen“ als rechtsextrem oder antisemitisch „ausdrücklich nicht zu eigen.“ Dies erfolgt in Reaktion auf Zitate aus dem Jahrbuch für Antisemitismusforschung sowie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur geschichtswissenschaftlichen Bewertung der mit dem NS-Regime kollaborierenden und für die Ermordung abertausender Juden, Polen und Roma verantwortlichen ukrainischen Gruppierungen wie OUN-B und UPA. Die NDS wollten auf der Bundespressekonferenz wissen, auf welchen neuen Erkenntnissen diese regierungsamtlichen Aussagen beruhen.

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Die Tragödie von Bergkarabach

Von Thomas Röper/vesti7.ru – 2. Oktober 2023

In Bergkarabach spielt sich eine Tragödie ab, über die auch westliche Medien berichten. Allerdings verschweigen sie die Hintergründe der Tragödie, bei der gerade über 100.000 Menschen, die nur das mitnehmen konnten, was sie tragen konnten, heimatlos geworden sind. … Fakt ist, dass die Tragödie von der armenischen Regierung verschuldet wurde, als sie sich 2022 von einer 2020 unter russischer Vermittlung mit Aserbaidschan geschlossenen Vereinbarung entfernte und stattdessen unter „freundlicher“ Mithilfe Frankreichs und der EU eine andere Vereinbarung mit Aserbaidschan geschlossen hat, in der sie Bergkarabach „nebenbei“ als Teil Aserbaidschans anerkannt hat. Das war ein dummer und unnötiger Schritt der armenischen Regierung unter Premierminister Paschinjan, denn damit hatte die aserbaidschanische Regierung kaum mehr eine Wahl, als die Existenz der nicht anerkannten, aber schwer bewaffneten Republik Bergkarabach auf ihrem Hoheitsgebiet zu beenden. Genau das ist nun geschehen. Da in Russland viele Armenier leben und die Russen den Armeniern sehr nahe stehen, ist das Interesse an den Entwicklungen in Bergkarabach groß. Daher waren dem Thema im wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens auch an diesem Sonntag wieder zwei lange Beiträge gewidmet, die ich beide hier übersetzt habe. Der erste Beitrag war die lange Anmoderation aus dem Studio, der zweite Beitrag war ein Bericht aus der Region.

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