Bidens Rede zu Afghanistan: Das Eingeständnis einer vernichtenden Niederlage

Von Bill Van Auken – 2. September 2021

US-Präsident Joe Biden hat am Dienstagnachmittag in einer Rede das Ende des 20-jährigen Afghanistankriegs verkündet. Einen Tag vorher waren die letzten US-Truppen mit einem C-17-Militärtransportflugzeug aus Kabul ausgeflogen worden. Während auf den Straßen Afghanistans das Ende der US-Besatzung gefeiert wurde, machte Biden in seiner Rede Eingeständnisse, die man so noch nie aus dem Weißen Haus gehört hat. Er räumte die verheerenden Kosten des Kriegs ein, der in einem demütigenden Debakel endete. Die Niederlage der Vereinigten Staaten gegen die Taliban offenbart nicht nur das Scheitern ihrer Politik in Afghanistan, sondern der gesamten Strategie, die der US-Imperialismus im In- und Ausland seit Jahrzehnten verfolgt hat.

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Veröffentlichtes Telefonat: US-Präsident Biden wusste schon im Juli, wie ernst die Lage in Afghanistan war

Von Anti-Spiegel – 1. September 2021

Aus einem Telefonat vom 23. Juli zwischen US-Präsident Biden und dem damaligen afghanischen Präsidenten Ghani geht hervor, dass Biden wusste, dass die Lage in Afghanistan ernst ist. Zu der Zeit verkündete er aber öffentlich noch, die Taliban würden Afghanistan nicht erobern. – Am 31. August hat Reuters gemeldet, dass ihnen ein Telefonat zwischen US-Präsident Biden und dem damaligen afghanischen Präsidenten Ghani sowohl als Transkript als auch als Tonaufnahme vorliegt. In dem 14-minütigen Telefonat haben Biden und Ghani am 23. Juli über die Lage in Afghanistan gesprochen und es geht daraus klar hervor, dass die vom Bidens Regierung gespielte Überraschung über den schnellen Sieg der Taliban gelogen war.

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Afghanistan: Abzug aller US-Soldaten nach chaotischer Evakuierung

Von Bill Van Auken – 1. September 2021

Am Montag den 30. August verließen die letzten US-Soldaten Afghanistan. Das militärische Transportflugzeug vom Typ C-17 startete eine Minute vor Mitternacht Kabuler Ortszeit, d.h. vor Ablauf der Frist am 31. August, die Washington mit den Taliban ausgehandelt hatte. Mit diesem Abflug geht das Debakel dieses 20-jährigen Kriegs der USA zu Ende, des längsten in der amerikanischen Geschichte. Mit dem Abzug der letzten Truppen am Montag endete eine zwei Wochen andauernde Evakuierung, in deren Verlauf 122.000 Menschen aus dem Land gebracht wurden. Neben 5.400 US-Bürgern waren es Afghanen, die in den letzten 20 Jahren mit der US-Besatzung zusammengearbeitet hatten, sowie deren Familien. Am Montag wurde der Rest des diplomatischen „Kernpersonals“ vom Kabuler Flughafen ausgeflogen, und so steht eine der weltweit größten amerikanischen Botschaften, deren Bau 800 Millionen Dollar gekostet hat, jetzt leer.

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Afghanistan: zivile Opfer als Kollateralschaden des US-Abenteuers im Nahen Osten

Von Seyed Alireza Mousavi – 30. August 2021

Bei den westlichen Operationen am Hindukusch kamen bis zuletzt regelmäßig zahlreiche von unbewaffneten Zivilisten außerhalb jeglichen Kampfgeschehens ums Leben. Ein hochrangiger US-Militärbeamter ordnete die zivilen Opfer beim jüngsten Drohnenangriff der US-Armee in Kabul in der Kategorie der „Kollateralschäden“ ein. Bei einem Terrorangriff am Flughafen Kabul waren am Donnerstag Dutzende Menschen getötet worden, darunter auch 13 US-Soldaten. ISIS-K, ein Ableger des „Islamischen Staates“ (IS), bekannte sich zu den Angriffen. Später wurde berichtet, dass einige der getöteten Zivilisten nicht durch die Detonation der Bomben ums Leben gekommen sein könnten, sondern durch Schüsse von US-amerikanischen Soldaten. Das Pentagon wollte eine diesbezügliche Anfrage der BBC nicht kommentieren. Die US-Soldaten sollen nach dem ersten Selbstmordanschlag angefangen haben, wahllos in die panische Menge zu schießen, da sie von mehreren Selbstmordattentätern ausgingen. Mindestens 96 Menschen sind bei den Anschlägen getötet worden. 150 Personen wurden verletzt. US-Präsident Joe Biden hatte nach den blutigen Anschlägen von Kabul Rache geschworen.

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Worum geht es in dem Streit im Südchinesischen Meer und wie gefährlich ist er?

Von Thomas Röper – 30. August 2021

Dass die USA eine zunehmend anti-chinesische Haltung einnehmen, ist kein Geheimnis und wurde bei allen Treffen von US-Präsident Biden in Europa thematisiert. Aber worum geht es eigentlich [bei dem Streit] im Südchinesischen Meer? … Dieses Thema … betrifft uns alle, denn die USA haben die EU an ihre Seite gezogen und auch die EU hat sich der anti-chinesischen Politik angeschlossen. Das betrifft uns nicht nur wirtschaftlich, auch ein „Krieg aus Versehen“ ist in der Region realistisch, denn es stehen sich bis an die Zähle bewaffnete Marineeinheiten zweier Atommächte gegenüber. Die russische Nachrichtenagentur TASS hat eine sehr gute und kompakte Zusammenfassung darüber veröffentlicht, worum es in dem Streit im Südchinesischen Meer geht und welche Gefahren davon ausgehen. Dieser Streit ist nur ein Teil des amerikanisch-chinesischen Konfliktes, aber in jedem Fall der gefährlichste. Daher habe ich den Artikel der TASS übersetzt.

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Ein russischer Korrespondentenbericht über die Lage in Kabul nach den Bombenanschlägen

Von Thomas Röper – 30. August 2021

Das russische Fernsehen ist eines der wenigen, das einen eigenen Korrespondenten in Kabul hat. Der erfahrene Kriegsreporter des russischen Fernsehens hat in einem Korrespondentenbericht über die Lage in Kabul berichtet. … Die Korrespondenten des russischen Fernsehens gehen dahin, wo es gefährlich ist und berichten von dort. Das ist ein großer Unterschied zum deutschen Fernsehen, dessen Korrespondenten oft tausende Kilometer entfernt in einem sicheren Studio sitzen und Nachrichten vom Blatt ablesen, anstatt aus erster Hand zu berichten. Das russische Fernsehen hat einige solcher furchtlosen Korrespondenten, die das tun, was früher – zum Beispiel im Vietnamkrieg – Leute wie Peter Scholl Latour im deutschen Fernsehen getan haben: Wirklich aus erster Hand zu berichten anstatt abzulesen, was andere ihnen auf den Schreibtisch legen. Zwei Beispiele für solche russischen Journalisten sind Anastasia Popova und Evgeny Poddubny, der derzeit aus Kabul berichtet. Daher habe ich den Korrespondentenbericht aus Kabul übersetzt, der am Sonntag im Wochenrückblick „Nachrichten der Woche“ des russischen Fernsehens gezeigt wurde.

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Kreuzzügler-Kultur in Afghanistan

von Emran Feroz – 24. August 2021

Mit der Operation Enduring Freedom begann am 7. Oktober 2001 der „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan, der bis heute zum längsten Krieg der USA und ihrer Verbündeten geworden ist, mit Tausenden Toten und Verletzten, auch unter den deutschen Soldaten. Dieser neokoloniale „Kreuzzug“ hat Wunden hinterlassen, die womöglich niemals heilen werden. Emran Feroz beschreibt diesen Krieg in seinem Buch „ Der längste Krieg – 20 Jahre War on Terror “ nun erstmals aus afghanischer Perspektive. Er hat mit vielen Menschen vor Ort gesprochen: von Hamid Karzai über Taliban-Offizielle bis zu betroffenen Bürgern, die vor allem unter diesem Krieg leiden. Ein Auszug aus dem Buch, das gestern erschienen ist.

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Biden weitet angesichts der Krise um den Truppenabzug die Militäroperationen in Afghanistan aus

Von Mike Head – 22. August 2021

Bei seiner ersten Pressekonferenz im Weißen Haus seit dem Fall von Kabul versuchte US-Präsident Joe Biden am Freitag erneut, die historische und demütigende Niederlage der USA und ihrer Verbündeten in dem fast 20 Jahre andauernden neokolonialen Krieg in Afghanistan herunterzuspielen. Gleichzeitig erklärte er, auch nach Ablauf der Frist für den Abzug am 31. August, auf die sich die USA mit den Taliban geeinigt haben, könnten noch 6.000 US-Soldaten im Land bleiben. Als Vorwand nannte er die Rettung von amerikanischen Staatsbürgern und ausgewählten Afghanen: „Ich glaube, wir können [die Evakuierung] bis dahin abschließen, aber wir werden das anhand des weiteren Verlaufs entscheiden.“ Um den Eindruck von Stärke und Stabilität zu vermitteln, wurde Biden von hohen Regierungsvertretern wie Vizepräsidentin Kamala Harris, Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin flankiert. Biden versprach die Evakuierung nicht nur aller Amerikaner, sondern auch aller Afghanen, die das US-Militär unterstützt haben und jetzt das Land verlassen wollen.

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Vietnam 2.0. Von den Verbrechen des Westens in Afghanistan und der Not, die bleibt

Von Fabian Scheidler – 21. August 2021

Die kopflose Flucht der NATO-Truppen aus Afghanistan und die Not, die sie dort zurücklassen, sind nur das letzte Kapitel einer verheerenden Geschichte, die im Oktober 2001 begonnen hat. Damals verkündete die US-Regierung, auch unterstützt von der rot-grünen Koalition in Berlin unter dem SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass der Terror des 11. September durch einen Krieg in Afghanistan beantwortet werden sollte. Dabei war keiner der Attentäter Afghane. Und die damalige Taliban-Regierung bot den USA sogar eine Auslieferung von Osama bin-Laden an – ein Angebot, das die US-Regierung mit unerfüllbaren Forderungen beantwortete.

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Die Taliban an der Macht

Von Michael Lüders – 18. August 2022

Besatzer, nicht Befreier: 20 Jahre diente Deutschland den USA als Hilfssheriff – ohne irgendeinen Plan. Die Folgen zeigen sich jetzt. – Das Fiasko in Afghanistan ist die zweite große Niederlage der USA seit dem Abzug aus Saigon im April 1975. Erneut muss sich die stärkste Militärmacht der Welt Kriegern geschlagen geben, die über keinerlei Hightechwaffen verfügten, ja: die in Sandalen daherkommen. Nicht allein die USA – ebenso die NATO und die aufeinander folgenden Bundesregierungen, die am „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan seit 20 Jahren beteiligt waren. Die offiziellen Begründungen Berlins für das Engagement erwiesen sich dabei als flexibel. Man begann mit dem Ausspruch des damaligen Verteidigungsministers Peter Struck (SPD): „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Später entstand der Eindruck, die Bundeswehr bohre vor allem Brunnen und
ermögliche Mädchen den Schulbesuch. In jüngster Zeit standen dann Frauenrechte und die Stärkung der „Zivilgesellschaft“ im Mittelpunkt.

Als hätte es jemals eine Militärintervention aus humanitären Erwägungen gegeben! Der Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon war für die damalige US-Regierung unter George W. Bush der Auftakt für ein lange geplantes Projekt, unliebsame Regime in Nah- und Mittelost zu beseitigen. Am liebsten hätte die Bush-Entourage als erstes den Irak angegriffen. Es war Außenminister Colin Powell, der aus Gründen der Dramaturgie empfahl, zunächst die Taliban zu stürzen, danach erst Saddam Hussein. So geschah es, obwohl 15 der 19 Attentäter vom 11. September aus Saudi-Arabien stammten. Den engen Verbündeten zu bombardieren erschien aber abwegig. Also nahm man die Taliban ins Visier, die
Osama bin Laden Unterkunft gewährt hatten. Mit Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, die stets zur Begründung für US-geführte Kriege in der islamischen Welt herangezogen werden, hatte das nichts zu tun.

Afghanistan war lediglich ein geopolitisches Mittel zum Zweck: Die erste Etappe einer Pax Americana in der Region. Doch die installierten Machthaber, etwa der nun geflohene Staatschef Ashraf Ghani, Präsident seit 2014, gelangten nur mit Hilfe manipulierter Wahlen an die Macht. Mit Billigung der NATO wie
auch Berlins setzen die USA ein Marionetten-Regime ein, welches außerhalb einer dünnen, westlich orientierten Mittel- und Oberschicht in Kabul über keinerlei nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung verfügte.

Aus den „Afghanistan Papers“, 2019 von der Washington Post veröffentlicht, geht zweierlei hervor. Zum einen hat die US-Regierung die amerikanische Öffentlichkeit über Jahre hinweg in Sachen Afghanistan belogen und ihre vermeintlichen Erfolge schöngeredet. Zum anderen sind rund 40 Prozent der insgesamt mehr als zwei Billionen (!) US-Dollar, die Washington diese Intervention gekostet hat, in die Taschen korrupter Politiker, Beamter, Warlords oder regionaler Milizen geflossen. Nicht etwa in den Aufbau
demokratischer Verhältnisse oder des Schul- oder Gesundheitssystems.

Fassungslos rätseln hiesige Politiker und Meinungsmacher dieser Tage: Warum hat die afghanische Armee denn nicht gekämpft und den Vormarsch der Taliban aufgehalten? Dabei wäre die Frage eigentlich die: Warum sollte ein Soldat für 50 bis 60 Euro Monatssalär sein Leben für eine ebenso korrupte wie unfähige Regierung riskieren? Die Taliban sind  keine vom Himmel gefallenen Außerirdischen, sie sind tief verwurzelt unter den Paschtunen, der größten ethnischen Gruppe Afghanistans. Über die Madrasas, die Koranschulen, rekrutieren sie einen Großteil ihrer Kämpfer. Pakistan und Saudi-Arabien sind ihre wichtigsten Finanziers. Mit brutaler Gewalt und geschickter Bündnispolitik haben die Taliban in den vergangenen Jahren auch Nicht-Paschtunen unter ihrem Banner vereint. Zugute kam ihnen dabei die rücksichtslose US-Kriegsführung mit Drohnen, denen Tausende Zivilisten zum Opfer fielen.

Für die meisten Afghanen waren die NATO-Truppen ebenso Besatzer wie vor ihnen die Sowjets. Dies einzugestehen dürfte im politischen Berlin als blasphemisch gelten. Deutsche Außenpolitik jenseits der EU beschränkt sich in fast allen Parteien darauf, im Windschatten der USA zu fahren. Die fehlende
strategische und geopolitische Eigeninitiative wird kompensiert durch den Verweis auf westliche Tugenden und Werte. Die aber sind jenseits von Rhetorik nichts wert. Von kleineren Kontingenten abgesehen haben fast alle NATO-Staaten, auch Deutschland, ihre lokalen Mitarbeiter vor Ort im Stich gelassen. Die
deutsche Botschaft in Kabul hatte schon vor Wochen vor der jetzt eingetretenen Entwicklung gewarnt. Geschehen ist nichts. Außenminister Heiko Maas (SPD) trifft qua Amt die Hauptverantwortung für dieses kollektive Versagen der Bundesregierung. Medienwirksame Ankündigungen, man wolle 10.000 Ortskräfte evakuieren, sind in erster Linie Phrasen.

In Afghanistan diente Berlin den USA zwei Jahrzehnte lang als Hilfssheriff. Eigenständig zu denken und zu handeln überforderte die maßgeblichen deutschen Akteure. Entsprechend haben sie auch, anders als etwa Russland oder China, keinen Plan, wie sie mit einer künftigen Taliban-Regierung umzugehen gedenken. (Quelle: Der Freitag, Ausgabe 33/2021 vom 18.08.2021)

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