Bis zum allerletzten Ukrainer

Von German-Foreign-Policy.com – 29. November 2024

USA wollen Mindestalter für Kriegspflicht auf 18 Jahre senken; deutsche Politiker fordern weiter Taurus-Lieferung, obwohl dies unter Militärs als Kriegseintritt gilt. Mehrheit in der Ukraine wünscht schnelles Kriegsende.

Die westlichen Staaten brechen bei ihren Schritten zur Aufrüstung der Ukraine immer neue Tabus und gehen zur Forderung über, das Kriegsdienstalter auf 18 Jahre zu senken und Deserteure deutlich härter zu bestrafen. Bereits vor zehn Tagen hatte die US-Regierung die Lieferung von Antipersonenminen genehmigt, die weltweit geächtet sind. Zudem hatten die USA, Großbritannien und wohl auch Frankreich den Beschuss russischen Territoriums mit weitreichenden westlichen Waffen gestattet; dies ist nicht ohne Beteiligung westlicher Soldaten möglich, die von deutschen Offizieren klar als Kriegseintritt eingestuft wird. Das Gleiche gälte für den Taurus, dessen Lieferung nun auch vom Europaparlament gefordert wird. Aus der Biden-Administration sind Überlegungen zu hören, man könne Kiew, um ihm Sicherheitsgarantien gegen Moskau zu verschaffen, mit Atomwaffen aufrüsten. Die US-Regierung dringt zudem auf die Senkung der Altersuntergrenze für die Kriegspflicht auf 18 Jahre. Dabei stellt sich der Westen mit seiner Kriegspolitik erstmals gegen den Mehrheitswillen der ukrainischen Bevölkerung: 52 Prozent wünschen inzwischen Verhandlungen und einen schnellen Waffenstillstand.

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TikTok-Tabu. In Down Under ist Kindesverrohung endlich unten durch

Von Ralf Wurzbacher – 29. November 2024

Australiens Regierung verhängt ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige. Der Vorstoß ist bemerkenswert und vollauf zu begrüßen, trotz aller Härten und absehbaren Umsetzungsprobleme. Bleibt zu hoffen, dass er weltweit Schule macht und auch deutsche Politiker zum Nachdenken bringt. Sofern die das überhaupt noch können. Ein Kommentar von Ralf Wurzbacher.

Die Australier wollen Kindern und Jugendlichen TikTok [& Co.] verbieten. Ticken die noch richtig? Antwort: Ja, natürlich, unbedingt. So streng wie bisher noch kein anderes Land schränkt Down Under die Nutzung sogenannter sozialer Medien für unter 16-Jährige ein. Im Eilverfahren haben die beiden Kammern des Parlaments am Mittwoch und Donnerstag einen nur wenige Wochen jungen Gesetzesvorstoß gebilligt, der nicht nur in seiner praktischen Tragweite für die Betroffenen am anderen Ende der Welt eine tiefgreifende Zäsur darstellt. Zu hoffen ist, dass das Beispiel im besten Sinne und buchstäblich Schule macht und im globalen Maßstab ein Umdenken anstößt, das schon jetzt eigentlich keinen Aufschub mehr duldet.

Wie weit reicht der Beschluss? Kindern soll es ausnahmslos untersagt sein, soziale Netzwerke zu nutzen, auch bei möglicher Einwilligung durch Erziehungsberechtigte öffnet sich kein Hintertürchen. Genau so wenig gibt es eine Schonung für „Bestandskunden“, auch langjährige Nutzer müssen abschalten. Unter die Regelung fallen namentlich der Kurznachrichtendienst X (einst Twitter), die Plattformen TikTok, Facebook, Snapchat, Reddit und Instagram. Ausgenommen bleiben Messengerdienste wie WhatsApp, ebenso Online-Gaming- und Videoplattformen wie YouTube, die, so die Begründung, auch für schulische Zwecke genutzt werden könnten und für die es nicht notwendig einen Account braucht. Das mag man noch für zu kurz gesprungen halten, denn auch diese Angebote bergen Gefahren für Heranwachsende. Ihnen hält die Regierung anders als den vom Bannstrahl Getroffenen aber zugute, dass sie keine zu enge Bindung zu den Nutzern aufbauen und sich ihr Suchtpotenzial vergleichsweise in Grenzen hält.

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Denn es darf kein Stellvertreterkrieg sein – doch selbst Boris Johnson nennt nun das Teufelskind beim Namen

Von Marcus Klöckner- 29. November 2024

Stellvertreterkrieg – damit haben wir es in der Ukraine zu tun. Das zu leugnen, abzustreiten, zu verneinen, bedeutet, mit der Realität zu brechen. Mit einer Realität – wohlgemerkt! –, die so offensichtlich ist, wie es offensichtlicher gar nicht geht. Und dennoch: Bis heute weigern sich nahezu die gesamten deutschen „Qualitätsmedien“, den Stellvertreterkrieg als Stellvertreterkrieg zu bezeichnen. Dafür hat es nun der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson getan. Er hat „Stellvertreterkrieg“ gesagt. Die Bankrotterklärung des Journalismus ist offensichtlich.

„Kumpel, seien wir ehrlich… Wir führen einen Stellvertreterkrieg! Wir führen einen Stellvertreterkrieg, aber wir geben unseren Stellvertretern nicht die Möglichkeit, ihre Aufgabe zu erfüllen.“ Das sagte gerade Boris Johnson in einem langen Gespräch. Doch der Reihe nach.

Die Welt war noch nie so nahe am 3. Weltkrieg wie heute. Gerade in einer Situation wie dieser ist es von elementarer Bedeutung, die Realität korrekt zu erfassen. Die Wahrheit auszusprechen, kann eine Frage über Krieg und Frieden sein. Um den Krieg in der Ukraine zu verstehen, gilt es, die komplexen geostrategischen und tiefenpolitischen Zusammenhänge aller beteiligten Parteien zu begreifen. Richtig ist, dass Russland mit seinem Militär die Ukraine angegriffen hat. Doch zur Wahrheit gehört noch mehr. Jeder, der sich mit Propaganda auseinandersetzt, weiß: Propaganda besticht nicht nur durch Lügen. Sie ist auch durch Auslassungen und Verdrehungen geprägt. Die „Wahrheit“ der Propaganda mag mitunter zu 99 Prozent richtig sein – aber das eine Prozent, das verdreht, verfälscht, ausgelassen wird, macht das Gesagte nicht zur Wahrheit, sondern zur Propaganda.

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Neue Töne deutscher Ukraine-Korrespondenten – was steckt dahinter?

Von Ulrich Heyden – 29. November 2024

Wer sich die Video-Berichte deutscher Korrespondenten aus der Ukraine anguckt, erkennt die Welt nicht wieder. Nachdem man jahrelang den Selenskyj-Hype gefüttert und fast ausschließlich „positive“ Geschichten aus der Ukraine brachte, spricht man jetzt unverblümt von der Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung, einer ausgelaugten ukrainischen Armee und von Flüchtlingen, die in Massen in die von russischen Truppen eroberte Stadt Mariupol zurückkehren. Die offenbar geplante Senkung des Einberufungsalters in der Ukraine auf 18 Jahre wird als „schrecklich“ bezeichnet. Was ist der Grund für diese realitätsnähere Berichterstattung? Eine Analyse von Ulrich Heyden.

Mit dem Stellungskrieg in der Ostukraine ist es vorbei. Die russische Armee erobert fast täglich eine Ortschaft. Nach Angaben des Institute for the study of war (ISW) in Washington haben die russischen Streitkräfte seit dem 1. September 2024 das Tempo ihrer Vorstöße in den Richtungen Pokrowsk, Kurachowo, Wuhledar und Welyka Nowosilka erheblich gesteigert und in diesen Gebieten seit dem 1. September 2024 mindestens 1.103 Quadratkilometer erobert. Im Vergleich dazu hatten die russischen Streitkräfte im gesamten Jahr 2023 aufgrund der ukrainischen Gegenoffensive nur 387 Quadratkilometer gewonnen. Das Erfolgsrezept der Russen: Zangenbewegungen gegen Ortschaften und Gebiete, mobile Einheiten, eine eingespielte Armee und offenbar eine hohe Motivation.

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Gut, dann reden wir eben über Kriegstüchtigkeit

Von Marcus Klöckner – 27. November 2024

Kriegstüchtigkeit – „Die Riesenaufregung über diesen Begriff war nur der Beweis dafür, dass unsere ganze Gesellschaft noch nicht in der ‚Zeitenwende‘ angekommen ist.“ Das sagte Sigmar Gabriel (SPD) am Wochenende in einem F.A.Z.-Interview. Und Boris Pistorius legte in Sachen Kriegstüchtigkeit nach. Auf einer Veranstaltung meinte er, die „Lage“ sei „ernst“ und Deutschland müsse schneller mehr investieren – für die „Kriegstüchtigkeit“. Sowohl Gabriels als auch Pistorius‘ Aussagen sind untragbar. Und so führt kein Weg daran vorbei: Gut, dann reden wir eben über „Kriegstüchtigkeit“.

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Jeffrey Sachs: Diplomatie oder Desaster

Von Ernst Burger – 27. November 2024

Das vor kurzem im Westend-Verlag erschienene neue Buch von Jeffrey Sachs „Diplomatie oder Desaster: Zeitenwende in den USA – ist Frieden möglich?“ fasst zahlreiche seiner Aufsätze, die in den letzten Jahren zum Ukraine-Krieg und dessen Vorgeschichte erschienen waren, systematisch zusammen. Eine Buchrezension von Ernst Burger.

Die aktuelle Einleitung vom August 2024 stellt in einem souveränen historischen Rückblick die Entwicklung der Beziehungen zwischen Russland bzw. der Sowjetunion und Deutschland dar: bis zum 2. Weltkrieg, die durch die deutsche Niederlage bewirkte Teilung Deutschlands, den Kalten Krieg und die Wiedervereinigung 1990 wesentlich bedingt durch Gorbatschow. Jeffrey Sachs betont die frühen Perspektiven einer deutschen Wiedervereinigung, beruhend auf einem Vorschlag von George Kennan bereits 1948/Anfang der 1950er-Jahre auf der Basis eines Friedensvertrages – den es nach wie vor nicht gibt (!) –, durch Neutralität und Abrüstung, den Abzug aller ausländischen Streitkräfte und politische Kontrolle der Siegermächte. Dies wurde ebenso abgelehnt wie danach, 1952, das bekannte Angebot von Stalin zu einer deutschen Wiedervereinigung auf der Grundlage von Neutralität. In allen Fällen von den USA verhindert wegen des Ziels einer Eindämmung der Sowjetunion und Aufrechterhaltung der außenpolitischen Kontrolle der USA über Westdeutschland (nach der bekannten, auch hier zitierten Prämisse von Lord Ismay, des ersten Generalsekretärs der NATO, dass deren Zweck darin bestehe, „die Sowjetunion draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“).

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„Wir entscheiden selbst“

Von German-Foreign-Policy.com – 27. November 2024

Die EU gerät durch eigenmächtige Aktivitäten ihres Botschafters in Niger mit der Regierung dort in Konflikt. Niger setzt seinen Kampf um Eigenständigkeit auf ökonomischer Ebene fort und wird weiterhin von Europa aus attackiert.

Niger setzt sich gegen eigenmächtige Aktivitäten der EU auf seinem Hoheitsgebiet zur Wehr und verlangt die Ablösung des EU-Botschafters in Niamey. Gegenstand des Konflikts ist, dass der EU-Botschafter ohne Abstimmung mit der nigrischen Regierung und sogar gegen deren erklärten Willen eigenmächtig EU-Hilfen für die Opfer verheerender Überschwemmungen in Niger verteilt hatte. Nach Protesten aus Niamey hatte die EU den Botschafter zu Konsultationen zurückgerufen – wohl in der Hoffnung, Niger könne sich auf die Hilfen angewiesen sehen und in dem Streit einknicken. Das ist nicht der Fall. Niger hat sich seit dem Putsch vom 26. Juli vergangenen Jahres systematisch aus der Abhängigkeit besonders von Frankreich, aber auch von anderen Staaten des Westens zu lösen begonnen, kämpft nach dem Hinauswurf westlicher Streitkräfte – auch der Bundeswehr – um ökonomische Unabhängigkeit und setzt sich gegen Machenschaften des französischen Auslandsgeheimdiensts zur Wehr. Auf einer Solidaritätskonferenz hieß es vergangene Woche, man erhalte endlich „keine Anweisungen aus Paris“ mehr und entscheide nun selbst über die politische und ökonomische Entwicklung im eigenen Land.

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Robert Habeck ist kein Schwachkopf

Von Tobias Riegel – 27. November 2024

Eiskalte Politik kann mit einem harmlosen Image einfacher vorangetrieben werden. Wirtschaftsminister Habeck kultiviert vermutlich auch darum gnadenlos (und erfolgreich) den wackeren Charme des knuffigen Kumpels, der unverschuldet in die Stürme der Geschichte geworfen wird. Das Verhalten mancher Grüner ist nicht „dumm“, es ist zielgerichtet und gefährlich.

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Die SPD geht in den Wahlkampf – man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte

Von Jens Berger – 27. November 2024

Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs war noch nie so groß wie heute – doch von einer Kriegsgefahr ist im beginnenden Wahlkampf der SPD nicht die Rede. Dort scheint man die Parole ausgegeben zu haben, das Thema Friedenspolitik tunlichst zu meiden und bloß kein kritisches friedenspolitisches Profil zu entwickeln; schon gar keins, das bei den Medien oder dem künftigen Koalitionspartner Argwohn erwecken könnte. Stattdessen wiederholt man lieber die alten abgegriffenen Slogans, die ohnehin kein Wähler mehr ernst nimmt, und inszeniert sich martialisch als Kriegspartei. Nicht nur Willy Brandt dürfte zurzeit im Grabe rotieren. Diese SPD kann auch weg. Niemand braucht sie.

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Die Trump-Regierung und der eskalierende imperialistische Krieg in der Ukraine

Von Joseph Kishore – 26. November 2024

Acht Wochen vor dem Tag der Amtseinführung verliert die künftige Trump-Regierung keine Zeit bei der Vorbereitung ihrer Agenda. Trump hat ein Kabinett zusammengestellt, das von Milliardären und Faschisten dominiert wird. Sie sind entschlossen, einen massiven Angriff auf Zugewanderte durchzuführen und gleichzeitig die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse abzubauen.

Führende Demokraten von Biden bis Bernie Sanders versprechen ungerührt, mit der neuen Regierung „zusammenzuarbeiten“, wobei sie die „Zusammenarbeit“ und den „Kompromiss“ mit Trump und ihren „republikanischen Kollegen“ betonten. Die Hauptsorge der Demokraten gilt nicht Trumps autoritären Plänen. Vielmehr wollen sie sicherstellen, dass das zentrale imperialistische Ziel der Biden-Regierung weiterverfolgt wird: der Krieg gegen Russland in der Ukraine.

Der Krieg war das Hauptdiskussionsthema beim Treffen im Weißen Haus eine Woche nach der Wahl. Biden hat dabei angeboten, „alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass Sie eingerichtet sind“. Hinter verschlossenen Türen besprachen der scheidende und der neue Präsident die Pläne für eine massive Eskalation des Krieges. Zentrales Thema war die Genehmigung für die Ukraine, von den USA bereitgestellte Langstreckenraketen einzusetzen, um Ziele tief im Inneren Russlands anzugreifen – was inzwischen passiert ist.

Während des Wahlkampfs warnte Trump gelegentlich vor der Gefahr eines „Dritten Weltkriegs“, während er gleichzeitig erklärte, dass er eine Art Verhandlungslösung für den Konflikt in der Ukraine befürworte. Dies wird jedoch zu den ersten der vielen demagogischen Aussagen gehören, die über Bord geworfen werden. Die neue Regierung wird sich nicht weniger als die alte für die Verteidigung von strategischen Kerninteressen des amerikanischen Imperialismus einsetzen.

So erklärte der Abgeordnete Michael Waltz, Trumps Kandidat für den Posten des nationalen Sicherheitsberaters, am Wochenende in einem Interview mit Fox News in Bezug auf die Ukraine: „Unsere Gegner da draußen, die glauben, dass dies eine Zeit der Möglichkeiten ist, in der sie eine Regierung gegen die andere ausspielen können, liegen falsch. Wir arbeiten Hand in Hand, wir sind ein Team Vereinigte Staaten in dieser Übergangszeit.“

Waltz sagte, dass er im Rahmen des „nahtlosen Übergangs“ zur Trump-Regierung zahlreiche Gespräche mit Bidens nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan geführt habe. Waltz sprach zwar weiterhin von einem Ende des Konflikts auf dem Verhandlungsweg, betonte aber auch die Notwendigkeit, „die Abschreckung wiederherzustellen“ und „auf dieser Eskalationsleiter einen Schritt voraus zu sein“ – das heißt, eine Art massive militärische Provokation oder Präventivmaßnahme zu ergreifen, um einen „Deal“ zu erzwingen.

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