Von Peter Schwarz – 11. Mai 2023
Am 8. und 9. Mai finden in Berlin traditionell zahlreiche Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa statt. An diesen beiden Tagen hatte die deutsche Wehrmacht 1945 im französischen Reims und in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet. Damit war das Nazi-Regime endgültig zerschlagen. Adolf Hitler hatte bereits acht Tage vorher Selbstmord begangen. Die Hauptlast des Kampfs gegen Hitler-Deutschland trug die Rote Armee der Sowjetunion, die die Wehrmacht unter immensen Opfern besiegte. Mindestens 13 Millionen sowjetische Soldaten und 14 Millionen Zivilisten verloren im Krieg das Leben. Doch auf den Berliner Gedenkveranstaltungen war in diesem Jahr das Zeigen der sowjetischen Fahne verboten. Der Berliner Senat bot mehr als 1500 Polizisten auf, um das Verbot an den drei sowjetischen Ehrenmalen im Treptower Park, im Tiergarten und in der Schönholzer Heide durchzusetzen. Teilweise waren dort mehr Polizisten als Besucher zu sehen. Erlaubt war dagegen das Zeigen der ukrainischen Fahne, die im Zweiten Weltkrieg nur von Kollaborateuren verwendet wurde, die tief in die Verbrechen der Nazis verstrickt waren. So nutzte der Melnyk-Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-M) die blau-gelbe Flagge mit einem Dreizack, wie er auch heute in der Ukraine wieder Verwendung findet. Während die überwiegende Mehrheit der ukrainischen Männer und Frauen gemeinsam mit ihren russischen und anderen sowjetischen Genossen in der Roten Armee gegen die Nazis kämpften, schlossen sich die OUN-M und der konkurrierende Flügel um Stepan Bandera (OUN-B) deutschen SS-Einheiten an und beteiligten sich an Massenmorden, denen zehntausende Juden, Polen, Russen und Ukrainer zum Opfer fielen. Die Entscheidung, das Zeigen der sowjetischen Fahne auf den Gedenkveranstaltungen zu verbieten, traf in letzter Instanz das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Die Polizei hatte ursprünglich sowohl sowjetische und russische wie ukrainische Fahnen verboten und dies damit begründet, dass sie vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs Gewalt provozieren könnten. Das Berliner Verwaltungsgericht hob dieses Verbot aufgrund einer Klage wieder auf. Darauf entschied das Oberverwaltungsgericht auf Antrag der Polizei, nur die sowjetische und die russische Fahne zu verbieten und die ukrainische zuzulassen. Die politische Bedeutung dieser Entscheidung ist unmissverständlich: 78 Jahre nach der Niederlage des Nazi-Regimes ist es in der deutschen Hauptstadt verboten, die Fahne der Befreier zu zeigen. Die Fahne von Kollaborateuren und Kriegsverbrechern ist dagegen willkommen. Ein deutlicheres Bekenntnis zur verbrecherischen Politik des Nazi-Regimes ist kaum denkbar.