Von Jordan Shilton – 23. November 2023
Die kurze Unterbrechung von Israels brutalem Angriff auf die wehrlose Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die heute um 10:00 Uhr Ortszeit beginnen soll, wird allgemein als „Waffenstillstand“ oder zumindest als „humanitäre Pause“ bezeichnet.
Falls das Abkommen eingehalten wird, was keineswegs sicher ist, wird es kaum mehr sein als eine operative Unterbrechung von Israels Militäroffensive zur ethnischen Säuberung des Gazastreifens. Der Völkermord an den Palästinensern soll weitergehen.
Das unter Vermittlung von Katar und den Vereinigten Staaten zustande gekommene Abkommen sieht unter anderem vor, dass die Hamas 50 Frauen und Kinder freilässt. Sie gehören zu den rund 240 israelischen Geiseln, die von Hamas-Kämpfern während des Überfalls auf Israel am 7. Oktober gefangen genommen wurden. Im Gegenzug wird Israel 150 palästinensische Häftlinge freilassen, die Kämpfe im Gazastreifen für vier Tage einstellen und täglich 200 Lastwagen mit Hilfsgütern in die Enklave lassen. Die Zahl der freigelassenen palästinensischen Gefangenen ist verschwindend gering im Vergleich zu den über 10.000 Palästinensern, die von Israel unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten und immer wieder gefoltert werden.
Wie instabil die Vereinbarung ist, zeigte u. a. die Ankündigung des nationalen Sicherheitsberaters des israelischen Premierministers Netanjahu, dass sich die Freilassung der ersten Geiseln um bis zu 24 Stunden verzögern und erst am Freitag erfolgen würde. Während der viertägigen Pause wird Israel über dem südlichen Gazastreifen auf den Einsatz von Flugzeugen und Drohnen verzichten, im Norden jedoch nur während eines kurzen Zeitfensters von täglich 10 bis 16 Uhr.
Alle israelischen Bodentruppen verbleiben an Ort und Stelle in Bereitschaft, den Kampf sofort wieder aufzunehmen. Wie Netanjahu auf einer Pressekonferenz am Mittwochabend sagte: „Wenn die Pause vorbei ist, nehmen wir den Krieg wieder auf. Möglicherweise werden wir gezwungen sein, dies viel früher zu tun.“ Netanjahu wies die Vorstellung weit von sich, dass die Pause auch für die Nordgrenze Israels gelte, wo die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) Ziele der Hisbollah im Südlibanon angreifen. Der Minister des Kriegskabinetts, Benny Gantz, betonte auf derselben Pressekonferenz: „Was jetzt im nördlichen Gazastreifen geschieht, kann auch im Südlibanon und in Beirut geschehen.“
Selbst wenn die Kampfpause hält, wird sie Israels militärische Position stärken. Einige Militäranalysten gehen davon aus, dass Israel seit Beginn der Bombardierung des Gazastreifens vor sechs Wochen etwa 2.500 Kits mit präzisionsgelenkter Munition eingesetzt hat und seine Vorräte daran nur noch für zehn Kampftage ausreichen. Da täglich Transportflugzeuge vom US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein mit Militärgütern in Israel eintreffen, könnte die viertägige Pause den IDF Zeit geben, ihre Lager aufzufüllen.
Die militärische Lage vor Ort könnte es Israel auch ermöglichen, die nächste Phase seines völkermörderischen Angriffs vorzubereiten. Wie das Wall Street Journal am Mittwoch schrieb, kommt der Zeitpunkt des Abkommens „Israel nicht ungelegen. Nachdem es im Norden des Gazastreifens eine beherrschende Stellung eingenommen hat, muss es sich darauf vorbereiten, sich nach Süden zu wenden.“
Die krisengeschüttelte Netanjahu-Regierung ist von dem Abkommen weit weniger begeistert. Netanjahu hat wiederholt betont, dass sein Hauptziel im Gaza-Krieg darin besteht, die Hamas zu „eliminieren“ oder zu „vernichten“, was im Klartext die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen bedeutet.