Von Clara Weiss – 10. Juni 2024
Am 23. März verstarb Maurizio Pollini, einer der bedeutendsten Pianisten und Künstlerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. und des frühen 21. Jahrhunderts, im Alter von 82 Jahren. Seit einem halben Jahrhundert galt er als feste Größe im Musikleben, geliebt und verehrt vom Konzertpublikum, besonders in Europa und Japan.
Pollinis Klavierspiel zeichnete sich durch einen klaren, warmen Ton und eine große Sensibilität und Tiefe aus, die umso berührender und kraftvoller waren, als sie nicht aufdringlich waren. Der hochkultivierte, stille und bescheidene Pollini hatte etwas Edles, ja Reines, sowohl in seinem Spiel als auch in seiner Persönlichkeit. Pollini war nie bestrebt, mit seiner phänomenalen Technik hervorzustechen oder originell zu klingen, doch seine Darbietungen vermittelten eine Aura der Frische und waren einzigartig, selbst wenn er sehr bekannte Werke spielte.
Der nie sentimentale Pollini war vor allem für seine Interpretationen der romantischen Werke von Chopin, Franz Schubert und Robert Schumann sowie der großen klassischen Werke von Ludwig van Beethoven, Bach und Mozart bekannt. Mehr als die meisten seiner Kollegen brachte Pollini auch regelmäßig und mit großer Begeisterung die Werke zeitgenössischer Komponisten wie Pierre Boulez und Luigi Nono sowie Anton Webern, Alban Berg, Arnold Schönberg und Karl-Heinz Stockhausen zur Aufführung.
Pollini wurde 1942, während des Zweiten Weltkriegs, in Mailand geboren. Sein Vater, Gino Pollini, war ein erfolgreicher moderner Architekt. Seine Eltern waren beide leidenschaftliche Amateurmusiker. In Interviews beschrieb er später einen Haushalt, der von Musik und intellektuellen und künstlerischen Gesprächen erfüllt war.
Die Atmosphäre war zweifellos von den schrecklichen Erfahrungen des Krieges und dem Streben nach einer besseren Zukunft ohne Faschismus und Blutvergießen geprägt. In den Jahren vor Pollinis Geburt hatte sich in Italien eine antifaschistische Widerstandsbewegung herausgebildet, und in den Jahren 1943–1945 war Italien Schauplatz von Massenwiderstand und – auch in Mailand – mehreren Generalstreiks.
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