Die Frühjahrsoffensive vor dem Fest?

Von Ralph Bosshard – 28. April 2023

In den vergangenen Wochen war das Geschehen im Osten der Ukraine geprägt von Angriffen taktischen Ausmaßes an isolierten Abschnitten der Front, ohne dass ein operativer Zusammenhang zu erkennen gewesen wäre. Die Russen starteten immer noch keine Großoffensive. Vielmehr strebten sie danach, die ukrainische Führung dazu zu zwingen, ihre Reserven frühzeitig in den Kampf zu werfen. Damit beabsichtigten sie, eine ukrainische Offensive zu verhindern. Das gelang vorerst und die entscheidende Frage ist, ob diese Strategie noch lange funktioniert. Während das ukrainische Verteidigungsministerium vor einigen Tagen bekanntgab, dass die groß angekündigte Frühjahrsoffensive schon in Gang sei, berichteten westliche Medien, diese sei zumindest verschoben. Wiederum andere spekulieren gar über eine russische Gegenoffensive. Wenn die Ukraine einen Erfolg operativen Ausmaßes erzielen will, dann muss sie alles westliche Kriegsgerät, das ihr zugesichert ist, zum selben Zeitpunkt an einer Stelle einsetzen. Theoretisch kann die ukrainische Armee mit dem versprochenen Kriegsgerät eine Panzerdivision bilden, die auf circa 20 km Breite in 90 bis 100 km Tiefe stoßen kann. Das würde aus dem Raum Zaporozhie bis an die Küste des Asowschen Meers reichen. Ob die Division dort danach die zu erwartenden russischen Gegenangriffe abwehren könnte, steht auf einem anderen Blatt. Ein derartiges Vorgehen ist angesichts der russischen Luftüberlegenheit mit großem Risiko verbunden und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj würde damit alles auf eine Karte setzen. Dabei sind die Erfolgsaussichten zweifelhaft, denn das angestrebte politische Ziel ist mit einem Angriff am Boden alleine nicht zu erreichen. Solange die russische Flotte auf dem Asowschen Meer Bewegungsfreiheit genießt, kann sie die Verbindung zur Krim offenhalten. Das alles sollte eigentlich auch dem ehemaligen US-Oberkommandierenden in Europa, General Ben Hodges bekannt sein, der trotzdem bekanntgab, die Ukraine könne die Krim innerhalb eines Monats zurückerobern, wenn Washington dies nur wolle. Offenbar beschloss Hodges sich in den Dienst des Informationskriegs zu stellen. In diesem Krieg verteilte das ukrainische Verteidigungsministerium der Weltpresse kürzlich einen Maulkorb.

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