Interview mit Prof. Dr. iur. et phil. Alfred de Zayas, Völkerrechtler und ehemaliger UNO-Mandatsträger – 26. Oktober 2023
… Zunächst muss man ganz klar sagen, dass jedes Opfer dieses Krieges eines zu viel ist und zu bedauern ist – jedes Leben, das geopfert worden ist, jede Verletzung und Verstümmelung – sowohl die erlittenen Verluste bei den Israelis als auch bei den Palästinensern: Touristen, Kinder, Greise. Es gibt eine Priorität: Die USA müssen alles tun, um einen Waffenstillstand zu vermitteln und um einen gerechten Frieden zu ermöglichen. Grundsätzlich haben wir einen schon lang andauernden, ungelösten Konflikt: den Kampf der Palästinenser für ihre Selbstbestimmung und für ihre Befreiung von unmenschlichen Lebensbedingungen und Unterdrückung. Dieser Konflikt währt schon mehr als ein halbes Jahrhundert. Die Palästinenser – und das ist unabhängig von der Hamas – wollen einen eigenen Staat in garantierten Grenzen. Wäre die Hamas nur gegen das israelische Militär vorgegangen, könnte man das als Kampf gegen Unterdrückung legitimieren. Das wäre im Einklang mit der Uno-Charta. Aber das gezielte Töten von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen, ein terroristischer Akt, und durch nichts zu rechtfertigen, auch dann nicht, wenn die Gegenseite auch so handeln würde. Dass es in einem Krieg immer auch Unschuldige trifft, ist kaum zu verhindern. Deshalb ist ein Krieg im Grunde genommen nicht zu führen, und Konflikte muss man immer mit friedlichen Mitteln lösen. Wenn aber klar ist, dass mehrere Hunderte oder gar Tausende von Zivilisten auf beiden Seiten aufgrund der Kriegsführung zu Tode kommen, ist das ebenfalls scharf zu verurteilen. Die Hauptaufgabe der Uno ist es, eben solche Konflikte zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass feste Vereinbarungen wie zum Beispiel die Osloer Abkommen eingehalten werden. Das Nichteinhalten von Vereinbarungen wie diejenigen von Oslo I und II oder Minsk führt unweigerlich zu Gewalt.