Von Peter Schwarz – 3. Februar 2023
Die gesamte Führungsspitze der Europäischen Union reiste am Donnerstag nach Kiew, wo sie sich zwei Tage lang mit der ukrainischen Regierung traf. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die das Land bereits zum vierten Mal besuchte, wurde von Ratspräsident Charles Michel, dem Außenbeauftragten Josep Borrell sowie 15 Kommissaren begleitet, deren Funktion mit der eines Ministers vergleichbar ist. Die Reise einer derart hochrangigen Delegation in ein Kriegsgebiet ist sehr ungewöhnlich und wirft ernsthafte Sicherheitsfragen auf. Dass sie dennoch stattfand, zeigt, mit welcher Entschlossenheit die EU die Fortsetzung des Kriegs in der Ukraine betreibt. Knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn hat sie ihr gesamtes Prestige damit verbunden, Russland eine militärische Niederlage beizubringen, auch wenn dies das Leben von Hunderttausenden ukrainischen und russischen Soldaten kostet und in einen Atomkrieg zu münden droht. Der Hauptzweck der Reise bestand darin, dem Selenskyj-Regime den Rücken zu stärken, das militärisch und innenpolitisch unter massivem Druck steht. „Wir sind zusammen hier, um zu zeigen, dass die EU so fest wie eh und je zur Ukraine steht“, schrieb von der Leyen auf Twitter. Die Zahl der an der Front getöteten ukrainischen Soldaten beläuft sich mittlerweile je nach Quelle auf 100.000 bis 160.000 und wird angesichts der erwarteten russischen Offensive weiter ansteigen. Die Bereitschaft, in einem Krieg zu sterben, der vor allem den Interessen der NATO dient, sinkt offenbar. Das zeigt auch ein Gesetz, das Selenskyj gegen erheblichen öffentlichen Widerstand unterzeichnet hat. Es bestraft Desertion und Kritik an Vorgesetzten mit langen Freiheitsstrafen. Der ungeklärte Tod von Innenminister Denys Monastyrskyj am 18. Januar und die Entlassung mehrerer hochrangiger Regierungsmitglieder wegen Korruption deuten darauf hin, dass innerhalb des Regimes heftige Machtkämpfe toben. Inzwischen haben die Behörden das Haus von Monastyrskyjs Vorgänger Arsen Awakow durchsucht. Ihm wird Korruption beim Kauf des als unsicher geltenden Hubschraubertyps vorgeworfen, mit dem Monastyrskyj abgestürzt ist. Da die ukrainische Presse der strikten Zensur unterworfen ist und oppositionelle Medien und Parteien verboten sind, lässt sich Genaueres nicht feststellen. Selenskyjs Regierung hängt seit langem am Tropf der EU. Allein in diesem Jahr sollen 18 Milliarden Euro Direkthilfen fließen, um die staatlichen Institutionen in Gang zu halten. Das entspricht etwa einem Zehntel des gesamten EU-Haushalts. Die militärische Unterstützung, die vorwiegend über die einzelnen Mitgliedsstaaten und die USA erfolgt, ist darin nicht eingerechnet. Der Besuch der gesamten Kommission diente dazu, die Kampfmoral zu stärken. Während das Land in Trümmern und Armut versinkt, malten die versammelten Kommissare die Utopie einer blühenden Ukraine innerhalb der Europäischen Union an die Wand.