Interview mit Sergej Karaganow (Übersetzung: Thomas Röper) – 12. September 2024
Ein einflussreicher russischer Experte hat vor dem Hintergrund der wahrscheinlichen Erlaubnis westlicher Länder an Kiew, Ziele in Russland mit westlichen Langstreckenwaffen anzugreifen, gefordert, nukleare Präventivschläge gegen NATO-Länder zu führen.
Ich habe schon öfter über Professor Karaganow berichtet (siehe hier oder hier), der seit 2023 fordert, Russland solle Atomwaffen gegen NATO-Staaten einsetzen. Karaganow ist nicht irgendein Spinner, sondern ein in Russland sehr einflussreicher Experte.
Seine Argumentation ist, dass Russlands nukleare Abschreckung wirkungslos ist, weil Russland es dem Westen gestattet hat, in der Ukraine eine „rote Linie“ Russlands nach der anderen ungestraft zu übertreten. Der Westen habe die Angst vor einem Atomkrieg verloren und eskaliere in der Ukraine daher immer weiter. Das allerdings werde irgendwann zwangsläufig dazu führen, dass es zum großen Atomkrieg kommt, so Karaganow. Daher plädiert er dafür, dem Westen mit einem begrenzten Atomschlag zu zeigen, dass Russland es ernst meint.
In der Sache hat Karaganow meiner Meinung nach nicht Unrecht, denn Russlands Geduld gibt dem Westen tatsächlich ein Gefühl der Straffreiheit. Im Spiegel hat eine der radikalsten anti-russischen Propagandisten der Spiegel-Redaktion vor einigen Tagen beispielsweise einen Artikel mit der Überschrift „Krieg in der Ukraine – Putins Schauermärchen von den roten Linien“ veröffentlicht, in dem [die Autorin] de facto gefordert hat, alle Beschränkungen für die Ukraine aufzuheben und ihr alle Waffen zu liefern, die sie braucht, um ganz Russland mit Krieg zu überziehen.
Solche Artikel und Forderungen sind eine Folge von Russlands Geduld, die der Westen als Schwäche auslegt.