Von Thomas Röper – 6. November 2023
Israel hat im Gazastreifen in einem Monat mehr Zivilisten getötet, als in der Ukraine in anderthalb Jahren zu Tode gekommen sind. Wer führt einen „brutalen Krieg“ – Israel oder Russland? – Anderthalb Jahre lang haben westliche Medien und Politiker der Weltöffentlichkeit mitgeteilt, Russland führe in der Ukraine einen „brutalen Angriffskrieg“. In westlichen Medien konnte man fast täglich erfahren, dass Russland angeblich gezielt zivile Ziele angreift und die ukrainische Bevölkerung auslöschen wolle. …
Nun haben wir die Möglichkeit, einen Vergleich zu ziehen, denn wir sehen, wie Israel Krieg gegen die Palästinenser führt. Am 6. November hat die Zahl der durch Israels Angriffe auf Gaza nach offiziellen Angaben getöteten Zivilisten 10.022 erreicht, darunter 4.104 Kinder. Das sind nur die identifizierten Toten, wie viele Opfer unter den Ruinen des zerbombten Gaza-Stadt liegen, weiß niemand. Dazu gibt es nicht einmal Schätzungen.
Laut den letzten offiziellen Zahlen des OHCHR sind per 8. Oktober in der Ukraine 9.246 Zivilisten zu Tode gekommen, darunter 560 Kinder. In dieser Zahl sind auch Menschen enthalten, die von der ukrainischen Armee getötet wurden.
Natürlich ist jeder Kriegstote einer zu viel, das will ich hier deutlich sagen, aber man kann eines ganz nüchtern festhalten: Die Zahlen zeigen, dass Russland ganz sicher keinen „brutalen Angriffskrieg“ führt, denn im Gegensatz zu Gaza sind die ukrainischen Städte fast alle praktisch unbeschädigt und die Zahl der toten Zivilisten ist in der Ukraine nach 19 Monaten Kampfhandlungen geringer, als die Zahl der von Israel in Gaza in einem Monat getöteten Zivilisten. Besonders deutlich wird das an der Zahl der getöteten Kinder, denn in der Ukraine sind etwa fünf Prozent der Opfer Kinder, während es in Gaza über 40 Prozent sind. Das zeigt, auf welche Ziele welche Armee schießt.
Ich stelle hier keineswegs Israels Recht auf Selbstverteidigung in Frage und bestreite auch nicht, dass der Auslöser der aktuellen Eskalation im Nahen Osten der Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober war. Aber Israels Recht auf Selbstverteidigung schließt nicht das Recht ein, Zivilisten abzuschlachten. Das Verbrechen des Gegners berechtigt nicht dazu, dass Israel noch schlimmere Verbrechen begeht.
Dass Israel die zivilen Opfer in Kauf nimmt (oder sogar bewusst Zivilisten bombardiert), kann man den vielen deutlichen Aussagen von israelischen Offiziellen sehen. Dass beispielsweise der israelische Verteidigungsminister die Palästinenser pauschal als „menschliche Tiere“ bezeichnet hat, die Israel daher auch wie Tiere bekämpfen werde, hat schon fast Anklänge an das Vokabular der Nazis, die ihre Gegner ebenfalls als Tiere bezeichnet haben, um deren Ausrottung zu rechtfertigen. Und seine Aussage war ja nur ein Beispiel, wer die Meldungen der letzten Wochen verfolgt hat, der weiß, dass viele Mitglieder der israelischen Regierung sich ähnlich ausgedrückt haben, was bis zu der Forderung ging, eine Atombombe auf Gaza zu werfen.
In Russland klingen die offiziellen Erklärungen ganz anders. Führende russische Politiker bezeichnen die Ereignisse in der Ukraine als „Tragödie“, sie bezeichnen die Ukrainer als „Brudervolk“, das von seiner Regierung aufgehetzt wurde, sie fordern den Schutz von Zivilisten und so weiter. Kein russisches Regierungsmitglied hat sich je schlecht über „die Ukrainer“ geäußert oder gar deren Vernichtung oder Umsiedlung ins Spiel gebracht, wie man es allenthalben aus Israel hört, wo sogar offen über die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza gesprochen wurde.