Von Oscar Grenfell – 28. Juni 2024
Es war ein bewegender Moment, als Julian Assange am Mittwochabend als freier Mann in Australien ankam. Der WikiLeaks-Gründer stieg in der Hauptstadt Canberra mit erhobener Faust aus dem Flugzeug. Dann umarmte er seine Frau Stella Assange und seinen Vater John Shipton.
Kurze Zeit später dankte Stella auf einer Pressekonferenz der weltweiten Unterstützungsbewegung. Diese habe eine entscheidende Rolle im Kampf für Assanges Freiheit gespielt. Gleichzeitig warnte sie jedoch vor dem eskalierenden Angriff auf die Pressefreiheit, der in der vierzehn Jahre währenden Verfolgung ihres Mannes zum Ausdruck gekommen war.
Zuvor war Assange vor einem US-Bezirksgericht in Saipan erschienen, der Hauptstadt der Nördlichen Marianen im Westpazifik. Das Gericht bestätigte eine Übereinkunft, wonach sich Assange in einem einzigen Anklagepunkt, dem Verstoß gegen das amerikanische Spionagegesetz (Espionage Act), schuldig bekannte. Dieser Vergleich stellt einen Sieg für Assange und einen Rückschlag für den amerikanischen Staat dar, der den WikiLeaks-Herausgeber seit 2019 wegen siebzehn Verstößen gegen den Espionage Act verfolgt hatte. Für alle Anklagepunkte zusammen hätte ihm eine Haftstrafe von bis zu 170 Jahren gedroht.
Nachdem Assange sein Gesuch geäußert hatte, wurde er von der Richterin gefragt, ob er verstehe, wegen welcher Vergehen er angeklagt worden sei. Assange antwortete in einer eindrucksvollen Demonstration von Widerstand gegen die US-Anklage: „Ich habe als Journalist gearbeitet und meine Quelle dazu ermutigt, mir als geheim eingestufte Informationen zu geben, um diese zu veröffentlichen.“ Assange wies darauf hin, dass das Verfahren von Anfang an ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit war, und fügte hinzu: „Meiner Meinung nach hat der 1. Zusatzartikel [der US-Verfassung] diese Aktivität gedeckt, allerdings akzeptiere ich, dass ich gegen das Spionagegesetz verstoßen habe. Ich denke, der 1. Verfassungszusatz und der Espionage Act schließen einander aus. Ich akzeptiere aber, dass es unter allen gegebenen Umständen schwierig wäre, einen solchen Fall zu gewinnen.“
Der Angriff beider US-Parteien auf den 1. Verfassungszusatz, der die freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit in den USA schützt, zeigt, dass sie beide angesichts der massiven sozialen Ungleichheit und des weltweiten Ausbrechens imperialistischer Kriege auf autoritäre Herrschaftsmethoden zusteuern.
Eine bemerkenswerte Äußerung machte die Richterin Ramona V. Manglona. Als sie die Bedingungen der Vereinbarung akzeptierte, nach denen Assange zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, die er schon während seiner Inhaftierung im britischen Belmarsh-Gefängnis abgesessen hatte, erklärte Manglona: „Es gibt noch eine weitere wichtige Tatsache – die Regierung hat angedeutet, dass niemand zu Schaden gekommen ist. Daraus schließe ich, dass durch die Verbreitung dieser Informationen niemand bekannt ist, der körperlich verletzt wurde.“
Die US-Regierung hatte ihre Verfolgung von Assange jahrelang mit betrügerischen Behauptungen gerechtfertigt, er habe durch seine Veröffentlichungen Menschenleben gefährdet. Sie hatte keines der angeblichen Opfer beim Namen genannt, sondern nur düster angedeutet, die Veröffentlichungen von WikiLeaks hätten schwerwiegende Folgen gehabt. Dass sie jetzt vor einem Gericht zugegeben hat, dass es solche Opfer nie gegeben hat, entlarvt erneut den betrügerischen Charakter des US-Verfahrens gegen Assange, das von Anfang an auf Lügen basierte. Das US-Justizministerium versuchte ebenso verzweifelt wie erbärmlich, dies vergessen zu machen, und erklärte direkt nach der Verhandlung, zwar sei niemand zu Schaden gekommen, es hätte aber dazu kommen können.