Interview: Thomas Kaiser/Zeitgeschichte im Focus – 16. April 2025
Einen äußeren Feind zu haben, so lehrt es die Geschichte, gilt als beste Methode, innere Uneinigkeit zu überbrücken und wieder zusammenzufinden. Ob der mit großem medialen Aufwand betriebene Russenhass die richtige Methode ist, anstehende Uneinigkeiten in der EU und auch in der NATO zu überbrücken, darf indessen bezweifelt werden. Selbst ehemalige militärische Größen bezweifeln die These, Russland sei für ganz Europa eine Gefahr. […] (cm/Globalbridge))
Zeitgeschehen im Fokus: Seit neuestem wird behauptet, dass für Russland Krieg ein Kontinuum sei und es weiter aufrüste, so dass es in ungefähr vier bis fünf Jahren Westeuropa angreifen könne. Wie sehen Sie das?
General a. D. Harald Kujat: Die entscheidende Frage ist, ob es belastbare Erkenntnisse gibt, dass Russland über die Fähigkeit zu einem erfolgreichen Angriff auf Westeuropa, also auf die Nato, verfügt, welche strategischen Ziele die russische Führung damit verfolgen könnte und ob die russische Führung die Absicht hat, diese durch Krieg zu erreichen.
Der Ausgangspunkt für den insbesondere in Deutschland entstandenen Alarmismus ist der Ukraine-Krieg, der nicht nur eine militärische Auseinandersetzung, sondern auch ein Wirtschafts- und Informationskrieg ist. Am militärischen Konflikt ist Deutschland durch Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung und die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte indirekt beteiligt. Am Wirtschaftskrieg sind wir durch Sanktionen aktiv beteiligt. Der Informationskrieg wird von beiden Seiten geführt.