Von Sybille Fuchs und Verena Nees – 19. November 2023
Während im Gaza-Streifen ein regelrechter Völkermord an den palästinensischen Bewohnern stattfindet, der Millionen Menschen auf der ganzen Welt fassungslos auf die Straßen treibt, entwickelt sich die offizielle Kulturpolitik Deutschlands zu einem schamlosen Instrument der Kriegspolitik. Kulturfunktionäre, Journalisten und Politiker überbieten sich mit bizarren Verdrehungen und Lügen, um den massenhaften Mord an Kindern, Alten und Frauen, die Bombardierung von Krankenhäusern, das Abschalten von Strom, Wasserzufuhr und Nahrungsmitteln für 2,3 Millionen Menschen als „Selbstverteidigung Israels“ darzustellen. Sie benutzen in einer grotesken Umkehr der Begriffe den Vorwurf des „Antisemitismus“, um Kultur und Kunst einer aggressiven deutschen Großmachtpolitik zu unterwerfen und Kriegsverbrechen zu rechtfertigen.
In diesen Tagen richtet sich diese abstoßende Kampagne erneut gegen die Documenta in Kassel, die bereits im vergangenen Jahr attackiert wurde. Dieser international bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst droht nun sogar das Aus. Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen hat den Stopp der finanziellen Mittel angedroht.
In der zweiten Novemberwoche inszenierten die Medien, angeführt von der Süddeutschen Zeitung, eine schrille Verleumdungskampagne gegen den namhaften indischen Autor und Kulturwissenschaftler Ranjit Hoskoté, der zu einer sechsköpfigen Findungskommission gehörte, die eine neue künstlerische Leitung für die nächste Ausstellung im Jahr 2027, die 16. Documenta, finden sollte. Die bisherige Geschäftsführerin Sabine Schormann war während der Documenta 15 im vergangenen Jahr zurückgetreten, nachdem rechte zionistische Kreise das indonesische Kuratorenteam Ruangrupa als „antisemitisch“ angegriffen hatten. Ihr Nachfolger wurde Andreas Hoffmann.
Nachdem am 9. November in der SZ ein Artikel von Nele Pollatschek die erneute Debatte angestoßen hatte, legte der Kulturkorrespondent der SZ in New York, Jörg Häntzschel, nach. Ranjit Hoskoté, so die Beschuldigung, habe im August 2019 einen „antisemitischen“ Aufruf unterzeichnet, den auch Vertreter der Boykott-Kampagne BDS gegen Israel unterstützt hätten. „Antisemitisch“ sei es, den Zionismus als „rassistische Ideologie“ zu bezeichnen, „die einen Siedlerkolonial- und Apartheidstaat fordert, in dem Nicht-Juden ungleiche Rechte haben, und die in der Praxis seit sieben Jahrzehnten auf der ethnischen Säuberung der Palästinenser beruht“.