Von Ulrich Heyden – 27. Februar 2024
Die Redaktion der deutschen Plattform Telepolis hat alle vor 2021 veröffentlichten Artikel mit einem Warnhinweis versehen. Einer der so verunglimpften Autoren ist Ulrich Heyden, der seit vielen Jahren aus Russland berichtet. Der eine oder andere Journalist mag seit dem Ukraine-Krieg seine politische Meinung geändert haben, aber warum sollen echte Reportagen von vor 2021 plötzlich weniger „wahr“ sein?
Im Frühjahr 2020 veröffentlichte ich auf Telepolis eine Reportage-Reihe aus der Volksrepublik Lugansk, die sich 2014 in einem Referendum von der Ukraine abgespalten hatte. Der Ukraine-Krieg war 2020 schon sechs Jahre im Gang. Mitte Februar 2024 stellte ich fest, dass alle meine Reportagen aus der Volksrepublik Lugansk mit folgendem Warnhinweis versehen wurden:
„Der folgende Beitrag ist mehrere Jahre alt und entspricht daher möglicherweise in Form und Inhalt nicht mehr den aktuellen journalistischen Grundsätzen der Heise Medien und der Telepolis-Redaktion. Ausführliche Informationen zu unserer Arbeit und unseren Grundsätzen finden Sie in unserem Leitbild.“
Es waren Berichte aus Front-nahen Gebieten. In der Ferne war Geschützdonner zu hören. Ich besuchte ein Front-Krankenhaus in Perwomajskoje eine Gedenkfeier für die Opfer eines ukrainischen Angriffs auf die Stadt Stachanow und eine Schule in Lugansk. Ich sprach mit Bewohnern der Städte, deren Nachbarn und Kinder bei ukrainischen Bombardements umgekommen waren und Menschenrechtlern, welche die ukrainischen Bombardements auf Wohngebiete in der Volksrepublik Lugansk dokumentierten, um sie an Institutionen der EU weiterzuleiten.
Ausufernde Hysterie
Es kommt mir komisch vor, dass jemand wie ich, der aus Regionen berichtet, die viele deutsche Redaktionen nur vom Hörensagen kennen, mit Warnhinweisen traktiert wird. Auch ist es merkwürdig, dass ein Reporter, der sein Leben an der Front riskiert, vier Jahre später damit bestraft wird, dass man seine Reportagen öffentlich als qualitativ „möglicherweise“ nicht ausreichend disqualifiziert. Aber das ist wohl der anti-russischen Hysterie geschuldet, die zurzeit in Deutschland grassiert und die sich in immer neue Höhe schraubt, ohne dass eine aufgeklärte Öffentlichkeit diese Hysterie wahrnimmt und stoppt.