Von Irmtraud Gutschke – 4. April 2025
Es ist die alte Leier: „Russland abzuschrecken und einzudämmen“ bedeutet Steigerung der Verteidigungsausgaben und Kürzung in anderen Bereichen. Ja, der Preis dafür könne im Extremfall sogar in Menschenleben bemessen sein und wäre doch zu erbringen, wie Carlo Masala uns mitteilen will. Mit seinem Buch „Wenn Russland gewinnt“ bespielt er die Klaviatur der Ängste, um eine mehrheitlich friedliebende Bevölkerung kriegstüchtig zu machen, und ebenso, um für sich selbst als Experte zu werben. Von Irmtraud Gutschke.
Mit erbitterter Miene in polierter Rüstung: Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München und, wie der Klappentext ihn rühmt, „gefragter Kommentator für deutsche und internationale Medien sowie häufiger Gast in den großen Polit-Talkshows“. Mit seinem Buch „Wenn Russland gewinnt“ sagt er eigentlich nur das, was er in seinen vorher bei C.H.Beck erschienenen Bänden „Weltunordnung“ und „Bedingt abwehrbereit“ schon proklamiert hat. Aber diesmal ist es ein „Szenario“, ja fast ein „Roman“.
„Wenn Russland gewinnt“ – schon der Titel appelliert an Ängste, die besonders im Westen verbreitet sind. Dass Konrad Adenauer als strikter Antikommunist einen Horror vor „Soffjetrussland“ hatte, kam aus seiner Vergangenheit und passte zur US-Politik nach 1945. Im bald beginnenden Kalten Krieg zwischen den Supermächten fand mit der politischen auch eine geistig-kulturelle Teilung der „Deutschländer“ statt. Die besteht bis heute fort. Im Osten gibt es eine Russland-Erfahrung, oft auch mit Sprachkenntnis verbunden, die dem Westen gerade jetzt von Nutzen wäre, da Donald Trump die US-Politik um 180 Grad zu ändern verspricht. Aber diese Ost-Kompetenz ist bis heute nicht angekommen im politischen Milieu, wo Verunsicherung herrscht. Plötzlich schmerzt die transatlantische Leine, mit der man sich früher so wohlgefühlt hatte. Einst williger Bündnispartner der USA – gerade die Westdeutschen galten als Musterschüler –, geht dieser Status verloren. Missachtung aus Washington. Europa wird abserviert und ist in Sorge, jenen Schutzschirm zu verlieren, unter dem man sich sicher wähnte.