Von Dagmar Henn – 18. September 2024
Komisch, dass das niemandem auffällt ‒ der britische Ex-Premier Boris Johnson hat von Deutschland gefordert, die Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern, nachdem die USA deutlich erklärt hatten, dass sie einen Einsatz weitreichender Raketen gegen Russland nicht wollen.
In der SPD wird gerade am Stuhl von Bundeskanzler Olaf Scholz gesägt. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter hat gerade erst öffentlich vorgeschlagen, doch Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Kanzlerkandidaten zu machen. Das ist ein klein wenig unheimlich ‒ der Hauptunterschied zwischen Scholz und Pistorius besteht darin, dass Scholz die Lieferung der deutschen Taurus-Raketen an die Ukraine ablehnt.
Aber womöglich geht es dabei gar nicht um die Kandidatur, sondern darum, dass Scholz eben in dieser Raketenfrage ausnahmsweise mal wirklich einigermaßen solide steht. Es ist auch heikel ‒ im Gesamtangebot der NATO fliegen nur noch die amerikanischen JASSM weiter als die Taurus. Und in den USA sieht es sehr danach aus, als wären das Pentagon und das State Department sehr unterschiedlicher Meinung, ob es eine gute Idee wäre, Russland mit weitreichenden Raketen zu beschießen.
Am Sonntag hatte die britische Times berichtet, dass fünf ehemalige britische Verteidigungsminister eine Freigabe der Storm-Shadow-Raketen für Angriffe auf russisches Gebiet (in den Grenzen von 2013) gefordert hätten. Sie berichtete aber auch, beim Besuch von Premier Keir Starmer in Washington Ende vergangener Woche sei das Gespräch „sehr offen“ gewesen ‒ das ist Diplomatisch für die Tatsache, dass vermutlich selbst die Köchin noch folgen konnte.
US-Außenminister Antony Blinken, der zuvor Andeutungen gestreut hatte, eine Genehmigung des Einsatzes stehe unmittelbar bevor, konnte sich also nicht durchsetzen. Was den Briten offenkundig nicht zusagte. (Für des Englischen Kundige existiert eine ergötzliche Analyse dieses Artikels von Alexander Mercouris).
Es gibt, auch diese Information liefert der Artikel, einen entscheidenden Punkt, warum Großbritannien nicht einfach selbst „Feuer frei“ erklären kann: Üblicherweise nutzt die Storm Shadow ein GPS-Signal. Das ist aber durch die russischen Fähigkeiten in elektronischer Kriegsführung nutzlos. „Also muss sie einen anderen Datensatz verwenden, der den Amerikanern gehört“, sagte eine Quelle aus dem Militär der Zeitung. Dieser Datensatz hätte wahrscheinlich mit Kartierungsfähigkeiten zu tun.