Von Johannes Stern – 20. September 2022
Die herrschende Klasse Deutschlands nutzt den Krieg, den die NATO in der Ukraine gegen Russland führt, um den Militarismus nach innen und nach außen aggressiv neu zu beleben. Daran lassen die jüngsten Reden von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) keinen Zweifel. In einer außenpolitischen Grundsatzrede erklärte Lambrecht am 12. September, Deutschland müsse nicht nur wirtschaftlich und politisch, sondern auch militärisch eine führende Rolle spielen: „Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht. Auch im Militärischen.“ 77 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reichs und den fürchterlichen Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg soll Deutschland wieder als Kriegsmacht agieren und die deutsche Armee umfassende Kriege führen können. „Wir selbst brauchen starke, kampfbereite Streitkräfte, damit wir uns und unser Bündnis zur Not verteidigen können“, betonte Lambrecht. Am Freitag legte der Bundeskanzler höchstpersönlich nach. In einer Rede auf der Bundeswehrtagung in Berlin erklärte Scholz vor der versammelten Militärführung: „Als bevölkerungsreichste Nation mit der größten Wirtschaftskraft und Land in der Mitte des Kontinents muss unsere Armee zum Grundpfeiler konventioneller Verteidigung in Europa werden, zur am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa.“ Beide, Lambrecht und Scholz, buchstabierten aus, dass dies die vollständige Militarisierung der deutschen Gesellschaft und Politik bedeutet. „Gerade die Bundeswehr wird in Zukunft eine wichtigere Rolle in unserem politischen Denken und Handeln spielen“, erklärte Lambrecht. Die Zeit, in der die deutschen Streitkräfte „ausschließlich als Akteur bei Kriseneinsätzen im Ausland oder in der Amtshilfe“ wahrgenommen wurden, sei vorbei. Man müsse „die Bundeswehr wieder als zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge betrachten. Und zwar jeden Tag.“ Scholz pries das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro, das er Ende Februar im Bundestag verkündet hatte. Gleichzeitig stellte er klar, dass die gigantische Summe nur der Anfang sei und die von ihm ausgerufene „außenpolitische Zeitenwende“ – ein Euphemismus für die Rückkehr des deutschen Militarismus auf die Weltbühne – weitaus mehr umfasse.